Zur Halbzeit der Legislaturperiode in Portugal muss sich der seit März 2005 amtierende Ministerpräsident José Sócrates bis Jahresende an zwei Fronten behaupten. Seit dem 1. Juli führt der reformerisch ausgerichtete 49-jährige Sozialist, dessen Herz bisher nicht gerade für die Außenpolitik zu schlagen schien, den Vorsitz im Europäischen Rat. Vor lauter europäischem Ehrgeiz muss sich der Regierungschef Portugals, das sich stets als loyales und unkompliziertes EU-Mitglied profiliert hatte, jetzt aber auch um seine Popularität im eigenen Land sorgen.

Ohne Rücksicht auf ein verbreitetes Unbehagen und gewerkschaftliche Proteste zieht Sócrates ein hartes Sparprogramm durch. Ziel ist die nachhaltige Senkung des stark überhöhten Haushaltsdefizits des immer noch ärmsten der 15 "alten" EU-Länder. Trotz teils empfindlicher Einschnitte im Staatsdienst und im Gesundheitswesen sowie Kürzungen der Renten stand die Partei des Ministerpräsidenten in den Wahlumfragen bisher noch recht gut da. Nach jüngsten Umfragen scheint ihr Stern aber langsam zu sinken.

Wie gerufen kommt Sócrates da am 15. Juli die vorzeitige Bürgermeister-Wahl in Lissabon. Eine Reihe von Affären hatte die Exekutive des bisherigen, von einer bürgerlich-konservativen Mehrheit gestützten Bürgermeisters Carmona Rodrigues zu Fall gebracht. Als Kandidaten für das symbolträchtige Amt "opferte" Sócrates sogar seinen Innenminister und Nummer zwei im Kabinett, António Costa, der als sicherer Sieger gilt.

Hohe Arbeitslosigkeit

Angesichts einer im EU-Vergleich hohen Arbeitslosenquote von rund acht Prozent bekam Sócrates von der Opposition vorgeworfen, mit dem EU-Vorsitz die heimischen Probleme vertuschen zu wollen. Allzu viel scheint er auf der europäischen Bühne auch nicht zu riskieren. Er verdankt Angela Merkel den Durchbruch im Streit um den neuen EU-Reformvertrag, den Sócrates - mit der Hilfe des ebenfalls portugiesischen Kommissionschefs Barroso - bis Oktober unter Dach und Fach bringen will. Mit derselben Unbeugsamkeit, die er sich im Umgang mit seinen Widersachern daheim angewöhnt hat, wies er bereits die Rufe aus Polen nach Korrekturen am Mandat für die Regierungskonferenz über den EU-Vertrag zurück.

Etwas mehr Fingerspitzengefühl wird er brauchen, um einen weiteren Höhepunkt des "portugiesischen Halbjahres" zu retten: Sócrates will den für Dezember geplanten Gipfel EU-Afrika nicht am Streit um die Teilnehmerliste scheitern lassen. Vor allem Großbritanniens Regierungschef Gordon Brown möchte sich nicht mit dem Präsidenten von Zimbabwe, Robert Mugabe, an einen Tisch setzen. Weniger problematisch war da der erste Gipfel zwischen der EU und Brasilien, bei dem vergangene Woche bereits eine strategische Allianz beschlossen wurde. (Thomas Fischer aus Lissabon, DER STANDARD, Print, 12.7.2007)