Achtung, diese Musik ist asozial und zerstört unsere inneren Werte: die Beasts of Bourbon in der Szene Wien.

Foto: Fischer
Am Samstag, wird in Ebensee Ausschweifung betrieben. Rock 'n' Roll ist sehr, sehr böse.
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Wien - Dass sich der Mann, auf den es aus lauter Begeisterung unsererseits nach 16-jähriger Livepause mit den Beasts of Bourbon tüchtig Hopfenperle regnet, gleich zu Beginn die Denkerstirn in jenen nassen Fetzen wickelt, mit dem er gerade den Boden wieder zum Rocken nutzbar machte, wollen wir einmal als Flucht nach vorn bezeichnen.

Immerhin befindet sich der die besten Jahre seines Lebens seit 1984 großzügig verschwendende australische Rocksänger Tex Perkins trotz seines mittlerweile zu Hause mit seiner Hauptband The Cruel Sea erspielten Ranges als einer der erfolgreichsten Tunichtgute seiner Heimat gerade wieder mit jener ambitionslosen, aber toxisch beherzt verseuchten Band auf Tour, die zwar seit einem Vierteljahrhundert "Nein!" ganz groß im existenziellen, philosophischen oder Dings-Sinn auf ihre Stirn geschrieben hat. In der auch jetzt bei der Arbeit in der Szene Wien ganz prächtig verlumpt präsentierten Freizeitgestaltung gibt es dieses Wort allerdings nicht. Stichwort: Sag ja zu "Mehr ist mehr!"

Die Beasts of Bourbon um den noch immer ziemlich gemein aussehenden Donnergurgler Tex Perkins, den man sich stimmlich als Darth Vader vorstellen muss, wenn er den Nick Cave macht, während dieser Country Roads von John Denver zu den harten Riffs der besinnlichen AC/DC-Ballade The Jack singt, sind dann mit ihrem dreckigen, dumpfen und ohne Umwege gespielten Asozialenrock dann auch so etwas wie das letzte Bindeglied in eine wohl auch damals mit ihnen Anfang der 90er-Jahre untergegangene Ära. Die Sache hieß Rock 'n' Roll. Eine wilde, haltlose Musik - und ein Lebensstil, für den man einst wegen Keith Richards auf den Flughäfen die Personenkontrolle mit Einweghandschuh erfand.

Dementsprechend pflichtschuldig covern die Beasts of Bourbon dann auch von den Rolling Stones jenen Song, der diese definitiv nicht berühmt, aber berüchtigt machte, den Cocksucker Blues. Wie auch die eigenen alten Songs der Beasts, etwa das in Wien gegebene Eröffnungsstück The Low Road, Chase The Dragon oder die wunderbar altersbockigen Stücke I Don't Care About No-thing Anymore und Master And Slave vom aktuellen, in guter alter Manier in nur drei Tagen live eingespielten Comeback-Album, Little Animals, treten die Beasts of Bourbon dabei den nicht unterzukriegenden Viervierteltakter die Straße hinunter zur nächsten Ausschweifung ordentlich durch.

Zwischen den Koordinaten Punk, Hard- und Pubrock sowie erhöhten Dosen misanthropischen Weltschmerzes aus Blues und Country entsteht nach 16 Jahren Entzug derzeit wieder ein live vor einem rüstig mitgealterten Publikum bejubelter Themenpark. Dessen Zielpublikum bilden jene unbelehrbaren Rocker, in deren Hochzeit es noch keine Benefiz- und Weltrettungskonzerte oder Bands mit Ambitionen auf die Präsidentschaft des nächsten G8-Gipfels gab, dafür aber eine nach jeder Menge Triebstau entladene Gier nach jenem Spaß, den vorzugsweise eine Jugend ohne Gott und Sperrstunde genießen wollte.

Hallo, Leute, machen wir uns nichts vor: Rock 'n' Roll war früher deshalb so toll, weil er weder formal noch inhaltlich gut war. Rock 'n' Roll ist böse. Er macht die Gesellschaft krank und zerstört unsere inneren Werte. Rock 'n' Roll ist negative Energie von Leuten, die nicht ihr Zimmer aufräumen oder die Hemden bügeln wollen. Klingt doch geil, oder? Wie grölt Tex Perkins beherzt, während er sich den Schritt richtet: "I'm gonna make it hard for you!" Danke, danke, danke! (Christian Schachinger, DER STANDARD/Printausgabe, 14./15.07.2007)