derStandard.at: Der portugiesische Ministerpräsident José Sócrates hat vergangene Woche das Programm der portugiesischen Präsidentschaft im EU-Parlament präsentiert. Was den EU-Reformvertrag betrifft klingen diese Pläne ziemlich ambitioniert. Im Oktober soll der Vertrag bereits unterzeichnet sein. Ist das realistisch, schließlich dauert die Diskussion ja immer noch an.
Leinen: Der Auftrag des Gipfels von Brüssel ist zu 100 Prozent präzise. Trotzdem gibt es natürlich keine Garantie, dass Länder nicht noch andere Punkte aufwerfen. Was ja bei Polen schon versuchen. Sie wollen die Blockademöglichkeit erhalten. Sie haben ja jetzt die so genannte Ioannina-Formel gefunden, die sie so interpretieren: Man kann zwei Jahre gegen eine Entscheidung des Rates Widerspruch einlegen. Alle anderen lesen aus dieser Formel allerdings eine Einspruchsfrist von drei Monaten heraus. Das alles könnte noch einige Probleme bringen. Der Vertrag ist schließlich noch nicht in trockenen Tüchern.
derStandard.at: Aber Polen ist nicht das einzige Mitgliedsland mit Sonderwünschen.
Leinen: Ich hoffe, dass Großbritannien jetzt mal zufrieden ist. Es hat ja eigentlich erreicht, was es wollte und keine Wünsche mehr offen. Es ist aber nicht klar, ob wirklich alle Länder "fair play" spielen oder mit Fouls arbeiten.
derStandard.at: Und Irland. Es fürchtet ja, die Grundrechtscharta könnte das strenge Abtreibungsrecht des Landes aufweichen.
Leinen: Würde Irland ein "Opt Out" aus der Charta der Grundrechte wählen, wäre das sicher unschön für den Wert und den Charakter des neuen Vertrages. Aber es würde wahrscheinlich nicht verhindert werden können. Auch die tschechische Republik überlegt sich ja diesen Ausstieg vorbehalten.
derStandard.at: Fürchten Sie sich vor dem de ja vu eines negativen Referendums?