Joss Stone gastierte erstmals live in Wien. Das war schön, aber leider nicht so toll, wie es ihr letztes Album hätte vermuten lassen.

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Wien – Zu den wichtigsten Entwicklungsschritten eines jeden Menschen gehört die Emanzipation von seinen Vorbildern. Im Pop haben die New Yorker Lärmrocker Sonic Youth diese Notwendigkeit in den 80ern gar drastisch mit "Kill Your Idols" formuliert.

Nun muss man nicht gleich jemandem Gewalt antun, um sich einem Fremdeinfluss zu entziehen. Im Fall von Joss Stone, der britischen Soul-Sängerin, die am Dienstag in der Wiener Arena gastierte, wäre dieses Unterfangen auch relativ schwierig, ist doch ein Gutteil ihrer Vorbilder schon längst in den Soul-Heaven eingegangen.

Trotzdem war Emanzipation bei Miss Stone unlängst ein größeres Thema. Sie hat ihre Mutter gefeuert! Ja, das gibt's. Diese soll als ihre Managerin nämlich eine der Marke "verbiesterte Eiskunstläuferinnen-Mutter" gewesen sein. Also das Müssen-nur-wollen-Dogma auf ganz, ganz hässlich. Stone, heuer gerade einmal 20 Jahre alt geworden, tauchte 2003 als Teenage-Soul-Wunder auf, und nachdem ihr mit alten Soul-Künstlern wie dem Keyboarder Latimore oder der Sängerin Betty Wright eingespielter Erstling "The Soul Sessions" sich über zwei Millionen Mal verkaufte, verdeckten offenbar Pfund-Zeichen Mama Stone den Blick für das Ganze.

Das geldgierige Folgealbum war ein entsprechend gesichtsloses und unentschieden wirkendes Popalbum, das, statt den Status des Soul-Backfisches zu festigen, ihn eher als Eintagsfliege von gestern dastehen ließ.

Irgendwann nach diesem Werk festigte sich in Joss offenbar der Widerstand gegen ihre karrieristische Mutter – und um ihrem drängendsten Wunsch nachzugeben, nämlich eine ernsthafte, selbstbestimmte Musikerin zu werden, überreichte sie Mama den blauen Brief: "Respect Yourself", heißt das seit den Staple Singers im Soul. Brav.

Stone färbte sich gegen die Vermarktungsstrategien ihrer Plattenfirma ihre blonde Mähne rot und rosa – aktuell ist sie schwarz –, verfügte sich mit ein paar eher vom HipHop kommenden Produzenten auf die Bermudas und kam mit dem ziemlich lässigen "Introducing Joss Stone" zurück. Schon der Albumtitel sollte signalisieren: Jetzt geht's wirklich los.

Live ging's dann aber leider kaum richtig los. Stone, die barfuß und im Summer-of-love-Kleidchen ein wenig ungelenk die Bühne durchmaß und dabei zwar ihre in der Tat außergewöhnliche Stimme präsentierte, wirkte trotz aller zur Schau gestellten guten Laune ein wenig unsicher.

Während sie auf ihrem neuen Album erstmals so klingt, als wüsste sie auch, wovon sie singt, konnte sie das live nur beschränkt vermitteln. Ein Blick zu ihrer Linken, wo zwei begnadete Background-Sängerinnen einen guten Job erledigten, zeigte deutlich den Unterschied.

Rare Aufreger

Zwar übersetzte eine achtköpfige Band Songs wie "Super Duper Love", "Tell Me What We're Gonna Do Now" oder "Tell Me 'Bout It" – in das der Keyboarder seine Version des Gnarls-Barkley-Hits Crazy einbaute – bühnengerecht und dem schwülen Abend entsprechend nett schunkelnd. Richtige Höhepunkte, ja wenigstens kleine Aufregungen in der gebotenen Show, waren jedoch rar gesät.

Es mangelte am Nachdruck der Hauptdarstellerin, ohne den die beste Band keinen Auftrag hat. Und Schönwetter-Soul ist schon aufgrund der Entstehungsgeschichte des Genres, als Musik von als Sklaven verschleppten Afrikanern, keine Option. (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.7.2007)