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Wenn Rückzahlungsbescheide bereits ergangen sind, rät Bures zu einem sofortigen Einspruch, damit diese nicht rechtskräftig werden. Ein Leitfaden dazu ist auf der Homepage des Frauenministeriums erhältlich.

Foto: Reuters/Prammer
Wien – Frauenministerin Doris Bures darf sich bestätigt fühlen. Und sie tat es am Montag auch. „Es ist so, dass es bei der Zuverdienstgrenze zum Kindergeld offensichtlich nur Verliererinnen gibt.“ Die Gutwilligen, die die Zuverdienstgrenze einhalten wollten, aber keine richtige Information bekommen konnten, weil das Gesetz so kompliziert ist. Die Gutgläubigen, die Ex-Sozialminister Herbert Haupt (Ex-FPÖ, dann BZÖ) vertraut haben, dass nicht kontrolliert wird, wenn er sagt, es wird nicht kontrolliert. Und die Guten in Person, die sich brav an das Gesetz gehalten haben, und sich jetzt wie „die Dummen in dem ganzen Spiel“ vorkommen müssen.

Rechtswidrige Weisung

Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts hat in Sachen Kindergeld und Zuverdienstgrenze die Kritik der SP-Frauenministerin nun auch juristisch untermauert. Ex-Minister Haupts Weisung, die Zuverdienstgrenze (14.600 Euro plus 15 Prozent Toleranzgrenze) nicht zu kontrollieren, sei eine „rechtswidrige Weisung“ gewesen – mit dem unangenehmen Nebeneffekt, dass sich die vollziehenden Beamten an jede Weisung ihres Ministers halten müssen, auch an rechtswidrige.

Das Hauptproblem bei der Zuverdienstgrenze und den derzeitigen Rückforderungen an Überzieherinnen hat also einen Namen: Haupt. Dem orange-blauen Ex-Minister droht aber im Gegensatz zu den Bezieherinnen kein Ungemach, da das Delikt „Amtsmissbrauch“ laut Verfassungdienst den „Nachweis des Vorsatzes, den Bund in seinen Rechten schädigen zu wollen“, voraussetzt, und das werde „schwer“ sein.

Auch eine „Amtshaftungsklage“ gegen den Ich-kontrolliere-euch-eh-nicht-Minister wird als relativ aussichtsloses Unterfangen dargestellt. Die Beweisführung sei „sehr schwierig“ und zudem mit einem „erheblichen Kosten- und Prozessrisiko verbunden“.

Zum eigentlichen Corpus Delicti, der Zuverdienstgrenze, schreiben die Juristen, dass sie von einer „Komplexität“ ist, die die Nicht-Überschreitung „für viele Normunterworfene nicht in vernünftigem Ausmaß vorhersehbar“ machte. „Der Verfassungsdienst bestätigt die dadurch entstandene Rechtsunsicherheit, die durch die Weisung des damaligen Bundesministers und die darauf folgenden öffentlichen Aussagen noch verstärkt wurde. Daher bestehen verfassungsrechtliche Bedenken bei der Zuverdienstgrenze.“ Viele Bezieherinnen hätten das Kindergeld „in gutem Glauben“ verbraucht, „was zu Schwierigkeiten bei der Rückzahlung führt“. Dass „Härtefälle“ quasi von der Gnade der jeweiligen Behörde abhängen, also in deren Ermessen liegen, sei „problematisch“. Für die Juristen ist dann ein Härtefall anzunehmen, „wenn ein Bezieher/eine Bezieherin die Leistung ohne Verschulden und ohne dies erkennen zu können zu Unrecht bezogen hat“. Eine Rückforderungsverpflichtung sei „unzweifelhaft“ gegeben, eine Härtefallregel „kann“ aber „bis zum Verzicht“ auf Rückforderung reichen, muss aber nicht.

Schadensbegrenzung

Bures sieht angesichts des „Murks“-Gesetzes keine Möglichkeit für eine „wirklich gerechte Lösung der Vergangenheit. Es gibt nur Schadensbegrenzung.“ Als erste Akutmaßnahme fordert sie den sofortigen Stopp der Rückzahlungsforderungen an Zuverdienst-Grenzüberschreiterinnen.

Hauptziel müsse sein, „das Kindergeld in Zukunft anders zu regeln und wirkliche Rechtssicherheit für die Zuverdienstgrenze zu schaffen“ – in der Form, dass es keine solche mehr geben soll, sondern nur noch eine „unbürokratische“ Verpflichtung zur Arbeitszeitverkürzung. Die Sozialpartner schlagen minus 40 Prozent vor, „das halte ich für einen guten Ansatz“, so Bures.

Auch das Familienministerium sah sich durch das Gutachten bestätigt. Die Stichprobenkontrollen seien „verfassungsrechtlich gedeckt“. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, Printausgabe, 24.7.2007)