Die Theologin mit Interesse an alten Sprachen findet die Bibel einfach faszinierend: Sie bewahre "uralte Erfahrungen auf - zwischenmenschliche und solche mit Gott - und kann Lebensweisheit vermitteln", so die 38-Jährige. Viele Mythen, Sprichwörter und Erzählungen haben ihren Ursprung ebendort. Aufgabe der Theologie sei es, Verbindungen zu Glauben und Leben herzustellen.
Bibelwissenschaft kann als historische Literaturwissenschaft verstanden werden. Eine klassische Frage feministischer Theologie ist die Suche nach Frauen in der Bibel. Übersetzungen und Auslegungen in einem patriarchalen Umfeld machten diese häufig unsichtbar. In den Originalsprachen - Hebräisch und Griechisch - enthält das meistverbreitete Buch der Welt mehr Gender-faires Potenzial, als es auf den ersten Blick scheint.
Bibel lesen ohne Dogmen
An der University of California, wo die Wienerin forschte und lehrte, war die Hebräische Bibelwissenschaft am Department für Nahoststudien angesiedelt und hatte einen stark religionswissenschaftlichen Zugang. Das Klima in Berkeley bezeichnet Grohmann als "liberal und kreativitätsfördernd", die konfessionellen Unterschiede spielten keine Rolle. Wie es überhaupt Ziel historisch-kritischer Exegese sei, die Bibel ohne Dogmen zu lesen. Die Bibelauslegung hat eine Zeit antisemitischer Vorurteile hinter sich und versucht diese aufzuarbeiten.
Genaue Lektüre kann Klischees entgegenwirken. Das beweist auch der gerade an der Uni Wien stattfindende, große internationale Kongress der "Society of Biblical Literature". Wien verbindet die US-amerikanische Organisation mit ost-/mitteleuropäischen Ländern, und in die inhaltliche Arbeit sind auch österreichische Bibelwissenschafter einbezogen.
Nach Evangelischer Theologie und Germanistik an der Uni Wien ging die Wienerin kurz nach der Wende nach Berlin, um an vier verschiedenen Einrichtungen Theologie zu studieren. Die Zugänge waren sehr unterschiedlich, die langjährige Teilung der Stadt stark spürbar. Auch das geteilte Jerusalem faszinierte sie. An der Hebrew University lernte sie Judentum, Islam, aber auch orthodoxes Christentum in ganz unterschiedlichen Ausprägungen kennen.
Ihre beiden Kinder bekam sie jeweils kurz nach Dissertation und Habilitation, "was sich so eher nicht planen lässt". Die ersten zwei Lebensjahre ihrer Tochter arbeitet sie noch halbtags, wobei von ihren 20 Stunden etwa 70 Prozent in Forschung fließen und 30 Prozent in Bürokratie. Die Kinderbetreuung übernehmen dann Kindergarten, bald auch Schule und Hort, Großfamilie und Ehemann. Der USA-Aufenthalt hat bewiesen, dass man selbst als Familie mobil sein kann, auch wenn die Aufnahmeformalitäten eher mühsam waren.