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Dass Staatsanwälte weiterhin weisungsgebunden sind, sieht das Regierungsübereinkommen vor. Den Vorstellungn von Justizministerin Maria Berger entspricht das nicht.

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Justizministerin Maria Berger (SPÖ) spricht sich dezidiert gegen einen Justizanwalt aus, wie er auch von ihrer Partei vorgeschlagen wurde. Berger wünscht sich eine weisungsfreie Staatsanwaltschaft, muss aber erst die ÖVP überzeugen, wie sie zu Michael Völker sagt.

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DER STANDARD: Die neue Sonderstaatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung soll weisungsfrei agieren können – warum nur diese, warum kann das nicht generell für die Staatsanwaltschaft gelten?

Berger: Unmittelbarer Anlass sind internationale Verpflichtungen zur Korruptionsbekämpfung. Der Europarat und die UNO haben vorgeschlagen, hier möglichst unabhängige Behörden einzusetzen. Zur generellen Frage der Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte ist zu sagen, dass sie im Regierungsübereinkommen bereits mit Nein beantwortet ist. Es steht im Regierungsübereinkommen ausdrücklich drinnen, dass die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte nicht abgeschafft werden soll.

DER STANDARD: Entspricht das auch Ihren Vorstellungen?

Berger: Nein. Das war nicht SPÖ-Position, das ist auch nicht meine Position. Aber ich habe dieses Regierungsübereinkommen als Ausgangspunkt zu nehmen. Aber jetzt sollten wir in diesem sehr kleinen, aber sehr sensiblen, weil definitionsgemäß Politiker und Beamten involvierenden Bereich eine Ausnahme zu machen.

DER STANDARD: Möglichst unabhängige Behörden, wie es sich der Europarat wünscht und wie es international auch üblich ist, das müsste doch auch für die anderen Staatsanwaltschaften gelten. Sehen Sie eine Möglichkeit, das Weisungsrecht mit der ÖVP noch zu verhandeln?

Berger: Ich wäre schon froh, wenn man wenigstens in diesem kleinen Bereich die ÖVP überzeugen kann, weil es im Interesse beider Regierungsparteien sein muss, jeglichen Anschein zu vermeiden, dass man Einfluss nehmen kann, wenn Politiker und Beamte aus den eigenen Reihen in ein Verfahren involviert sind.

DER STANDARD: Aber Verfahren, wo Politiker involviert sind oder intervenieren wollen, gibt es auch in anderen Bereichen, nicht nur bei Korruption.

Berger: Wir wollten auch die Strafbarkeit von Abgeordneten einführen, haben das aber auf Wunsch des ÖVP-Klubs vorläufig ausgenommen. Die Akzeptanz im Parlament ist wahrscheinlich höher, wenn die Abgeordneten das selbst beschließen.

DER STANDARD: Haben Sie selbst schon eine Weisung erteilt?

Berger: Nein, noch nicht.

DER STANDARD: Ist es für Sie denkbar, Weisungen zu erteilen?

Berger: Ich muss es sogar tun, so lange das Weisungsrecht beim Justizminister ist. Es ist ja nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht, die wahrzunehmen ist, wenn es um die Herstellung gesetzmäßiger Zustände geht. Von mir aus kann ich nicht verzichten. Will etwa die Staatsanwaltschaft ein Verfahren einstellen und kommt das Ministerium zur Ansicht, das wäre gesetzeswidrig, so muss die Ministerin die Staatsanwaltschaft anwiesen, doch Anklage zu erheben.

DER STANDARD: Die Richter und Staatsanwälte wünschen sich, dass nicht ein politisches Organ dieses Weisungsrecht hätte, sondern zum Beispiel die Generalprokuratur.

Berger: Ob es jetzt ein Generalanwalt oder ein Bundesanwalt ist – diese Idee ist im Regierungeinkommen explizit verworfen worden.

DER STANDARD: Sehen Sie Gesprächsbereitschaft bei der ÖVP?

Berger: Angesichts der negativen Reaktion schon bei diesem kleinen Schritt mache ich mir keine großen Hoffnungen.

DER STANDARD: Die Richter wehren sich gegen den Vorschlag, einen Justizanwalt einzurichten und sehen die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr.

Berger: Diese Sorge ist berechtigt, so wie dieser Justizanwalt angelegt ist: Wenn er möglicherweise in laufenden Verfahren Empfehlungen an die Richter aussprechen kann. Es hört sich an, als wäre das ein zusätzliches Rechtsmittel. Das wäre gegen den Grundsatz der Unabhängigkeit der Rechtssprechung und gegen die Gewaltenteilung. Justizanwalt, das klingt so, als wenn eine Partei des Verfahrens von der Justiz einen zusätzlichen Anwalt bekäme, mit dem sie gegen die andere Partei zusätzliche Rechte wahrnehmen kann.

DER STANDARD: Aber der Vorschlag eines Justizanwalts kommt auch aus Ihrer Partei.

Berger: Vielleicht aus einzelnen Ecken, aber das ist nicht sehr repräsentativ.

DER STANDARD: Sie sind also gegen einen solchen Justizanwalt?

Berger: Ich bin dagegen, so wie er jetzt vorgesehen ist. Ich bin dafür, dass wir justizinterne Beschwerdestellen schaffen

DER STANDARD: Das klingt nach Salzamt.

Berger: Es soll eben nicht ein Salzamt sein. Das Salzamt ist bekanntlich in Wien. Die Beschwerdestellen sollen in allen Bundesländern angesiedelt sein. Wenn meine Nachbarn in Perg ein Problem in einem Verfahren haben, fahren sie maximal nach Linz. (Michael Völker/DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.7.2007)