DER STANDARD: Was muss man denn studieren, um Demograf zu werden?

Sobotka: Demografie! Ich habe in Prag studiert und meinen PhD in Groningen in den Niederlanden gemacht. In Österreich kann man das Fach aber nicht studieren. Deshalb gibt es auch viele ausländische Forscher am Vienna Institute of Demography. Das hat international Vorteile - wir sind gut vernetzt -, national aber auch Nachteile, weil wir hier nicht so stark verankert sind. Ich sehe etwa hinsichtlich des Bewusstseins der Öffentlichkeit ein gewisses Defizit in Österreich.

DER STANDARD: Aber werden Sie aufgrund "Ihrer" Themen - Kinderlosigkeit und niedrige Fertilitätsraten - nicht häufiger interviewt?

Sobotka: In den vergangenen zwei Jahren habe ich mit acht oder neun Journalisten gesprochen, darunter welche vom Economist, Newsweek, der International Herald Tribune und der FAZ, aber Sie sind der erste österreichische Journalist, der sich für meine Forschung interessiert.

DER STANDARD: Aber meine Kollegen rufen doch zumindest das Institut an?

Sobotka: Ja, und zwar dann, wenn Statistik Austria neue Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung vorlegt und wir diese kommentieren sollen. Wir versuchen dann in aller Schnelle, Zahlen zusammenzustellen, aber wenn wir am nächsten Tag die Zeitung aufschlagen, sind unsere Informationen nicht drinnen.

DER STANDARD: Viele Ihrer Arbeiten sind vergleichend angelegt.

Sobotka: Ja, ich nutze bereits vorhandenes Material, um damit vergleichende Analysen anzustellen, also etwa wie sich die Geburtenraten in den europäischen Ländern entwickeln. Einerseits wird das Arbeiten mit den Daten anderer in der Forschung im Allgemeinen nicht sehr hoch gewertet, weil es als nicht originär gilt.

Das hat andererseits aber zur Folge, dass nur wenige diese integrativen Analysen durchführen und es daher vergleichsweise leicht ist, innerhalb der Scientific Community Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich habe jedenfalls davon profitiert, auch wenn man viel lesen muss.

DER STANDARD: Welche Schlüsse ergeben sich aus diesen Vergleichen für Österreich?

Sobotka: Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung gibt es hierzulande immer noch vergleichsweise wenige Mütter, die älter als vierzig sind. In Spanien sind die Mütter bei der Geburt ihres ersten Kindes mit durchschnittlich 29,3 Jahren im europäischen Vergleich am ältesten. In Österreich sind es derzeit 27,2 Jahre.

Mit anderen Worten: Für die Verschiebung gibt es mindestens noch zwei Jahre Spielraum "nach hinten". (Oliver Hochadel/DER STANDARD, Printausgabe, 1. August 2007)