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Durch die enorm gestiegene Rechenleistung von Computern in den vergangenen zwei Jahrzehnten sind heute viel genauere Berechnungen und Simulationen von Luftströmen möglich.

Foto: Bongarts/Getty Images
Mit Hochleistungscomputern lassen sich immer komplexere Strömungssimulationsmodelle - etwa von Gasen oder Flüssigkeiten - berechnen. So wird unter anderem in der Formel 1 das Verhalten des Fahrtwindes auf der Rennstrecke erforscht, um die Boliden schneller zu machen.

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Ginge es nach den Ingenieuren beim Team BMW-Sauber, dann würden Formel-1-Rennen nicht auf der Straße, sondern im Labor entschieden. Dort nämlich ist das Team aus dem schweizerischen Hanwil das schnellste. Vergangenen Dezember nahmen die Ingenieure den Supercomputer "Albert 2" in Betrieb, der vor Superlativen nur so strotzt: Der schnellste industriell genutzte Rechner Europas besteht aus 1024 Hauptprozessoren und hat 2048 Gigabyte Hauptspeicher.

Genutzt wird die Rechenkraft von "Albert 2", um die Aerodynamik des BMW-Rennwagens zu verbessern. "Strömungssimulation" nennt sich die Methode, die es den Formel-1-Piloten ermöglichen soll, künftig noch schneller in die Kurven zu fahren und damit den entscheidenden Sieg einzufahren. Strömungssimulationen versuchen, die Strömungen von Gasen (wie Luft) oder Flüssigkeiten (wie Wasser) zu berechnen - mit rein mathematischen Verfahren, ohne Experimente.

Im Computer wollen die BMW-Ingenieure simulieren, wie sich der Fahrtwind auf der Rennstrecke verhält. Denn Verbesserungspotenzial am Rennwagen ist definitiv noch vorhanden. Die Krux ist nur: Die Berechnungen sind aufwändig.

Die Steigerung der Rechenleistung von Supercomputern wie "Albert 2", die in den vergangenen Jahren immer schneller wurden, lässt komplexe Simulationsmodelle erst zu. Das weckt neue Begehrlichkeiten für Strömungssimulationen. "Dieser Computer ist schon ein Wahnsinn", schwärmt der Verfahrenstechniker Gerhard Hillmer aus Innsbruck, "es wäre ein Traum, daran einmal zu arbeiten." Und schränkt dann doch wieder ein: "Wir haben hier andere Zielsetzungen."

Am Management Center Innsbruck (MCI), einer Business-Hochschule, lehrt und forscht er als Professor im Fachbereich Umwelt- und Verfahrenstechnik. Und arbeitet dabei eng mit der Industrie zusammen, denn Strömungssimulationen sind begehrter denn je. "Die Firmen kommen auf uns zu, weil sie wissen, bei uns gibt es die Expertise, die sie brauchen", sagt Hillmer und verweist auf ein großes Forschungsprojekt für das Pharma-Unternehmen Sandoz, für das Hillmer gemeinsam mit Studierenden die Luftströmungen in einer Abluftanlage untersuchte.

Einsatz findet Strömungssimulation mittlerweile in vielen Bereichen. Praktisch überall, wo Gase oder Flüssigkeiten in Bewegung sind, können Strömungen berechnet werden. Dadurch kann man beispielsweise Mikroorganismen davor schützen, von Rührstäben in Flüssigkeiten gleichsam erschlagen zu werden, indem man die Kräfte berechnet, die entstehen, wenn die Stäbe sich drehen.

Bei einem anderen Projekt beschäftigen sich Hillmer und die Studierenden mit der Frage, wie Heizkörper am besten geformt sein sollten, damit die Luft ungehindert zirkulieren kann, denn dann ist der Wärmeaustausch mit der Umgebungsluft optimal. Eng verknüpft sind diese Industrieaufträge immer mit der Lehre: "Wir bereiten die Studierenden bei uns auf das Berufsfeld vor", verspricht Hillmer.

Echtzeit-Simulationen

Tatsächlich befindet sich das Forschungsfeld Strömungssimulation derzeit im Umbruch. Durch die enorm gestiegene Rechenleistung von Computern in den vergangenen zwei Jahrzehnten sind heute viel genauere Berechnungen und Simulationen möglich. "Alles bewegt sich auf Echtzeit-Simulationen zu", prophezeit Christoph Reichl, der bei Arsenal Research in Wien forscht. "Wenn die Computer schnell genug rechnen können, dann bräuchte man in ein paar Jahren vielleicht kaum noch Messtechnik, weil jede Turbulenz in einer Flüssigkeit auch berechnet werden könnte."

Und einige heute noch unlösbare Aufgaben der Ingenieure wären dann lösbar: beispielsweise die Überwachung und Steuerung von Energieplasmen. Diese sind derart heiß, dass Messgeräte darin sofort verbrennen würden. High-End-Computer könnten Veränderungen im Plasma vorausberechnen und sofort reagieren.

Irgendwann, so glaubt Reichl, werden die Ingenieure dann auch Lärm verringern können; denn auch der Schall ist eine Luftströmung, die berechnet werden kann. "Das ist natürlich noch Zukunftsmusik", meint Reichl, doch könnten dann beispielsweise Flugzeuge leiser werden. Und übrigens auch Autos - womit auf die Formel-1-Ingenieure neue Aufgaben zukommen: Die Autos müssen auch noch leiser werden. (Jens Lang/DER STANDARD, Printausgabe, 1. August 2007)