Illustration: derStandard.at
die betroffenheit, allzeit bereit für positive kontakte und gespräche, zeigte sich tief betroffen von der ereignissen in der großen welt. das alles gehe weit über ihre kräfte und sie wisse kaum mehr, wie man an all dem teilnehmen könne, noch dazu, wo es praktisch unmöglich sei, nur irgend etwas dafür oder besser dagegen zu tun. die ignoranz, die kaum zugehört hatte, aber dann doch einen moment lang den kopf drehte und das ohr zur betroffenheit neigte, sagte kühl, wenn nicht gar mit einem hauch von zynismus auf den lippen: na, liebe base, stell dir vor, das alles muss ich ignorieren. ich weiß gar nicht, wie gerade ich dazukomme, diesen ständigen stress auszuhalten. dir geht es gut, du bist betroffen und kannst hoffen, dass dir jemand zuhört, der vielleicht noch betroffener ist und kannst das alles auf diese weise auf die mitmenschen, auf die umgebung abladen. ich fresse das in mich hinein und werde dafür noch scheel angeschaut. kannst du verstehen, liebe base, dass ich dich manchmal beneide, wenn nicht hasse. die betroffenheit war davon so betroffen, dass sie im selben moment der tischgesellschaft den vorschlag machte, man müsse etwas für die arme ignoranz tun, man müsse ihr unbedingt zur seite stehen. das machte wiederum die ignoranz so betroffen, dass sie nicht einmal mehr ihr gesicht wahren konnte und heulend das familienfest verließ. die betroffenheit indessen, und das hatte niemand erwartet, ignorierte den vorfall, indem sie sich schmunzelnd dem dessert zuwandte. (Friedrich Achleitner/ DER STANDARD, Printausgabe, 4./5.8.2007)