Der Playa los Genoveses: erste Adresse in Cabo de Gata.

Foto: cabogata.com

Auf der Suche nach dem berühmten "einsamen Strand" ist schon mancher Costa-del-Sol-Urlauber verzweifelt, doch es gibt da eine praktikable, 50 Kilometer lange "Lösung" für dieses Problem: Der Naturpark Cabo de Gata unweit der andalusischen Hafenstadt Almería bietet nicht bloß ein Refugium für bedrohte Tier- und Pflanzenarten, sondern auch für den Erholung suchenden Individualisten.

Klippen, kleine Felseilande, oder Naturskulpturen wie "Las Sirenas" direkt am Kap und Salzseen, in denen hunderte Flamingos waten, prägen diese 37.000 Hektar große, geschützte Halbinsel, wo sich selbst die spanische Mittelmeerküste etwas Unangetastetes bewahren konnte. Das Kap ist allerdings nicht ganz leicht zu haben, einspurige Serpentinen zwingen bei Gegenverkehr zum Rückwärtsgang, Geschwindigkeiten jenseits der 20 km/h sind illusorisch.

In Zeiten, zu denen sich das Mittelmeer "bacherlwarm", ergo quallenverseucht, und Spaniens Küsten zunehmend zugemauerter geben, besticht die Kargheit des Naturparks. Und da hier ohnehin nicht viel wächst, sind gelegte Brände erst gar kein Thema für die Grundstückspekulanten.

Koloss von Algarrobico

Das Cabo de Gata bleibt von der "violencia urbanística" deswegen aber nicht unberührt: Die "städtebauliche Gewalt", wie linke Parteien und Umweltschutz-Aktivisten den Raubbau an den Küsten nennen, machte nämlich vor dem Naturpark nicht Halt. Eine Hotelkette pflanzte zuletzt einen mehrstöckigen Koloss in die Bucht von Algarrobico, direkt am Ostende des Schutzgebietes. Dem Bau droht nun der Abriss, da eine gültige, vorerst regional erkaufte Grundwidmung immer erst dann von nationalem Recht aufgehoben wird, wenn Umweltorganisationen und somit die Gerichte aktiv werden.

Keine halbe Autostunde vom Flughafen Almerías entfernt liegt das Cabo: Unwirtlich, wild und somit romantisch gibt es sich wie eine Parallelwelt zu den Gewächshäusern der Gemüsekammer Europas, eingeengt von Baukränen, die neue Feriensiedlungen bis an seine definierten Grenzen heranbringen. Keine zehn Meter neben den Flamingo-Reservaten an der Playa de las Salinas, die mit mehr als einer Million Euro staatlich gefördert wurden, stehen sie, die Glashäuser, denen die ganze Provinz ihren Reichtum verdankt. "Moderne" Sklavenarbeit und Pestizid-Exzesse prägten das Image der Region.

Am Cabo de Gata trifft die Wüste frontal und unvermittelt aufs Meer, deshalb ist die Flora außerhalb der Gewächshäuser auch eher bescheiden. "Chumberas", eine mexikanische Pflanze, trägt die erfrischenden, jetzt wunderbar reifen Kaktusfeigen ("Chumbos"), die sich mit Vorsicht pflücken lassen. Sie und die Agaven sind die einzigen Garanten für vereinzelte Farbtupfer in einer von Dünen und Felsen geprägten Mondlandschaft. Den Hortikulturen stehen aber auch botanische Gärten wie jener von Albardinal gegenüber, wo Halophyten, einzigartige Pflanzen, die unter hohem Salzgehalt und starker Trockenheit leben können, gedeihen. Um 1880 war das benachbarte Rodalquilar Zentrum eines Goldrausches, der sich bis in die 1960er-Jahre halten konnte und erst später dem touristischen wich.

Nichts, was fehlt

Aber nicht nur die Unwirtlichkeit des Cabo ist ursächlich mit einem hohen Entspannungspotenzial verknüpft. Keine Latino-Charthits hämmern hier aus Strandbarboxen, da die Infrastruktur an den Stränden schlicht fehlt. Kein Sonnenölfilm benetzt die Haut nach der "Abkühlung" im kristallklaren, aber 28 Grad warmen Wasser. Und den definitiv effektiveren UV-Schutz als Sonnenschirmwälder bieten die raren Pinien und einige Höhlen, wie jene am Strand Monsul bei San José, der "Metropole" im Naturpark.

Ein wenig mondän will es sein, das Städtchen, ebenso ein bisschen alternativ. Erholsam ist es allemal mit seinen 884 Einwohnern, die hier im Sommer gar nicht erst auffallen unter den ebenfalls spärlichen, aber dennoch in der Überzahl flanierenden Inlandstouristen. Die Strandpromenade säumen Stände, wo die üblichen afrikanischen Masken, Trommeln und Schmuck immerhin unaufdringlich angeboten werden. San José wird man dennoch schnell den Rücken gekehrt haben, sei es mit dem Wanderstock, dem Mountainbike oder mit dem klimatisierten Leihwagen, um über die Schotterpisten zu den versteckten Miniatur-Sandstränden zu gelangen.

Erste Adresse ist und bleibt die imposante Playa Los Genoveses, und damit zwar eine der stark frequentierten am Cabo de Gata, wirklich eng wird es auf dem ein Kilometer langen, feinsandigen und fast weißen Strand aber nie. Kinder lassen ihre Lenkdrachen in jenem Wind tanzen, der auch die Surfer in die Bucht lockt, und draußen vor den bizarren Felsformationen versuchen die Taucher ihr Glück im klaren Wasser.

Die Unterwasserwelt besticht hier nämlich mit einem Artenreichtum, der andernorts längst verschwunden ist. Und dazu gehören nicht nur überdimensionale Goldbrassen und Riesenseezungen, die Manolo Martínez Rubi in seiner Hafentaverne in San José exzellent zubereitet. Tauchkurse und Equipment bietet wiederum "La Isleta Diving" im gleichnamigen Ort, direkt neben den imposanten Klippen gelegen.

Am Mirador de las Sirenas, jenem Leuchtturm, der sich am Ende der schroffen Felsnase bei San José in Ermangelung spektakulärer Bauwerke als Wahrzeichen wichtig macht, wird man die fantastische Aussicht über die gesamte Bucht genießen. Der Mirador hat sich allerdings auch längst zu einer Kommunikationsplattform der Graffiti-Sprayer entwickelt, die hier ein durchaus kunstvolles, aber dennoch ohnmächtiges Wort gegen jene rege Bautätigkeit erheben wollen, die die Grenzen des Naturparks immer wieder ignoriert. (Jan Marot/Der Standard/Printausgabe/4./5.8.2007)