Hans Peter Doskozil hat jetzt die Chance, der FPÖ (und der ÖVP) die Stirn zu bieten – wenn die SPÖ mitgeht.
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Das Ergebnis ist knapp, um mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu sprechen, arschknapp. Die drei Kandidaten, die um den SPÖ-Vorsitz rittern, liegen ganz eng beisammen, da machen nur wenige Hundert Stimmen den Unterschied. Dennoch: Hans Peter Doskozil ging als Erster aus der SPÖ-internen Umfrage hervor, gefolgt von Andreas Babler. Und Pamela Rendi-Wagner, die bisherige Parteichefin, wurde nur Dritte, wenn auch knapp. Für sie ist das Ergebnis niederschmetternd.

Hans Peter Doskozil hat die SPÖ-Mitgliederbefragung über Parteivorsitz und kommende Spitzenkandidatur für sich entschieden.
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Rendi-Wagner wird das Ergebnis wohl akzeptieren, es ist anzunehmen, dass sie nicht zu einem Showdown beim Parteitag in zwei Wochen bereit ist und zu einer Stichwahl antritt – so, wie sie es angekündigt hat. Eine Mehrheit der Parteimitglieder hat gegen den Mainstream der Parteipromis abgestimmt. So frustrierend das Ergebnis für Rendi-Wagner auch sein mag, es muss auch eine Erlösung sein. Für sie selbst, und auch für die Partei.

Hans Peter Doskozil hat diese Umfrage gewonnen, ist aber noch nicht am Ziel. Noch ist nicht ganz klar, wie sich der zweitplatzierte Babler entscheidet, ob er das Ergebnis akzeptiert oder ob er, wie er es eigentlich angekündigt hat, jedenfalls beim Parteitag kandidiert und gegen Doskozil antritt. Er hätte durchaus Chancen, wenn die enttäuschten und auf Rache sinnenden Anhänger von Rendi-Wagner am Parteitag ihm und nicht Doskozil ihre Stimme geben. So rasch wird die SPÖ also noch nicht zur Ruhe kommen.

Alles oder nichts

Doskozil muss jetzt alles unternehmen, um diese Partei wieder zu einen, was eine wirklich herausfordernde und vermutlich auch langfristige Aufgabe sein wird. Das Problem ist nur: Die SPÖ hat eigentlich keine Zeit. Nächstes Jahr stehen Wahlen an. Da wäre es Zeit, in die Gänge zu kommen und eine Strategie auszuarbeiten, wie man reüssieren will. Es geht, aus der Sicht der SPÖ, um alles: Sieg oder Niederlage. Gelingt es der SPÖ, Herbert Kickl als Kanzler zu verhindern? Gelingt es, die FPÖ vom ersten Platz, den sie derzeit in allen Umfragen einnimmt, zu verdrängen? Gelingt es, eine blau-schwarze oder schwarz-blaue Koalition zu verhindern? Kann die SPÖ wieder den Kanzler stellen, oder bleibt sie in Opposition?

Doskozil ist angetreten, die FPÖ zu verhindern, und dass er diese auch durchaus mit deren Waffen schlagen will, hat in seiner eigenen Partei für einigen Unmut gesorgt. Doskozil hat jedenfalls mehr Zug nach vorne, als Rendi-Wagner das hatte, und er ist in der Wahl der Mittel nicht immer zimperlich. Er formuliert besser, er hat weniger Skrupel in der Wortwahl, er versteht die Partei besser, er steht dem Populismus jedenfalls näher, als Rendi-Wagner das tat oder konnte. Doskozil weiß besser, was die Leute hören mögen, das mag ihm in einer Wahlauseinandersetzung zum Vorteil gereichen, das kann man ihm aber auch vorwerfen. Und es wird selbst in seiner eigenen Partei genügend geben, die das tun werden, die sehr genau auf seinen Kurs und die Wortwahl, die diesen begleitet, achten werden.

Wenn sich Doskozil und Babler, die viele der Welten innerhalb der SPÖ abbilden, jetzt aber zusammentun, dann hat die SPÖ gute Chancen, neue und frische Kraft zu schöpfen und mit viel Energie aus dieser doch sehr ungewöhnlichen Mitgliederbefragung hervorzugehen. Da gab es zwar ein paar sehr unschöne Untergriffe und auch einige bleibende Verletzungen, letztendlich ging aber ein frischer Wind durch die Partei. Es wurde sehr ernsthaft und engagiert über Inhalte diskutiert wie schon lange nicht mehr, es wurden viele neue Mitglieder gewonnen und alte neu motiviert. Auf dieser Basis lässt sich eine Wahlbewegung aufstellen, die Kraft haben könnte, die Akzente setzt, die Menschen anspricht und interessiert.

Dreierkoalition

Voraussetzung ist, dass die Partei jetzt nicht in drei Teile zerfällt, von denen sich zwei aufgrund der Niederlage ihres Wunschkandidaten der Resignation hingeben und schmollen. Wenn diese drei Lager jetzt die Chance erkennen, sich zu ergänzen und zu bestärken, sich möglicherweise auch zu korrigieren, hat die SPÖ beste Chancen, der FPÖ (und der ÖVP) die Stirn zu bieten. Dass Doskozil ein Fan einer Koalition aus SPÖ, Grünen und Neos ist, könnte dem Wahlkampf zusätzliche eine spannende Note geben. Es wäre immerhin ein Kunststück, die FPÖ einerseits zu verteufeln und andererseits um deren Wählerinnen und Wähler zu buhlen. Da müsste die SPÖ schon mehr bieten als nur Doskozil, da bräuchte es die Partei in ihrer ganzen Bandbreite. (Michael Völker, 23.5.2023)