Die Aussagen der Angeklagten seien schlicht nicht glaubwürdig gewesen, begründete der Richter die teilweise Verurteilung der früheren, von der ÖVP nominierten, Familienministerin Sophie Karmasin. Die Meinungsforscherin hatte die ihr zur Last gelegten Vorwürfe – schwerer Betrug und wettbewerbswidrige Absprachen rund um Studien fürs Sportministerium – bis zuletzt bestritten. Eine Ex-Ministerin, die sich wettbewerbswidrig Aufträge organisiert – das geht im Rechtsstaat Österreich nicht.

Auch für die Gehaltsfortzahlung, die sich Karmasin nach ihrer Ministerinnentätigkeit auszahlen ließ, fand der Richter harte Worte: Selten seien ein "Betrug und der Vorsatz dazu so eindeutig". Dass sie keinen Anspruch auf die rund 80.000 Euro gehabt habe, "das haben Sie auch gewusst", sagte der Richter.

Hat die ihr zur Last gelegten Vorwürfe bestritten: die frühere Familienministerin Sophie Karmasin.
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Tätige Reue

Allerdings sei der Schaden an der Republik wieder gut gemacht worden - Karmasin hat den Betrag zurückbezahlt. Eine Ex-Ministerin, die sich nach der Politik wider besseres Wissen weiterbezahlen lässt von Staat, Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, obwohl sie schon wieder beruflich aktiv ist: Das geht im Rechtsstaat Österreich grundsätzlich nicht – aber Karmasin sei hier freizusprechen gewesen, weil sie tätige Reue gezeigt habe, sagte der Richter.

Beides ist gut zu wissen und wird, hoffentlich, überall gehört werden. Dass die Ex-Ministerin wiederholt erklärte, sie habe nach ihrer Zeit als Ministerin mangels eigenen Unternehmens keine Rechnungen für ihre Vorträge ausstellen können, stand einer glaubhaften Verteidigung diametral entgegen: Jede und jeder andere Erwachsene im Lande weiß, dass man’s machen muss und wie man’s macht. Dazu braucht es weder Psychologie- und Betriebswirtschaftsstudium noch jahrelange Praxis in einem der größten Umfrageinstitute des Landes, über die die Ex-Ministerin verfügt.

Die Erklärungen Karmasins dazu klangen peinlich, wehleidig und mehr als dünn – wenn sie etwas erklärte. Denn Fragen der Staatsanwälte beantwortete sie zunächst gar nicht, mit dem Hinweis, sie und ihre Familie seien durch ihre Inhaftierung – Karmasin war fast vier Wochen in U-Haft – traumatisiert worden. Das wird wohl so sein, aber Traumata lassen sich klüger bewältigen.

Der Kronzeugin Sabine Beinschab hat das Erstgericht mehr Glauben geschenkt als ihrer Ex-Chefin. Sie legte einen souveränen, authentischen und unaufgeregten Auftritt hin, und auch der Richter betonte die Glaubwürdigkeit der Kronzeugin. Doch nicht nur die Kronzeugin der Anklage, die durch ihr Geständnis selbst ungeschoren davonkommen will, belastete die Ex-Ministerin – mittlerweile tut das auch der Ex-Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid. Dass das Gericht jener Kronzeugin glaubt, die die Beschuldigten auch in den Ermittlungen zu mutmaßlich gekauften Studien und Inseraten in der von Überheblichkeit und Kaltschnäuzigkeit geprägten türkisen ÖVP-Ära unter Sebastian Kurz belastet – das wird Republik, Rechtsstaat und ÖVP noch ordentlich in Atem halten. (Renate Graber, 23.5.2023)