Die Plätze der EU-Abgeordneten waren für die 724 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Mitgliedsstaaten reserviert.
DAINA LE LARDIC / European Union 2023 - Source : EP

Am Dienstag stand das Europäische Parlament in Brüssel gänzlich im Zeichen der europäischen Behindertenpolitik. Unter dem Motto "Nichts über uns, ohne uns" diskutierten im Rahmen des fünften Europäischen Parlaments der Menschen mit Behinderungen mehr als 700 Betroffene aus den EU-Ländern Seite an Seite mit hochrangigen EU-Funktionärinnen und Funktionären über eine inklusive Zukunft für Menschen mit Behinderungen in der EU.

Im Zentrum der Veranstaltung stand neben den zahlreichen Redebeiträgen von Betroffenen die Verabschiedung eines Manifests zur Europawahl 2024. Im Hinblick auf die bevorstehende Wahl im Frühjahr unterstreicht das Dokument die Wichtigkeit der Berücksichtigung der Rechte von Menschen mit Behinderungen und soll als Richtschnur für die politischen Programme der Kandidatinnen und Kandidaten dienen. Diskutiert wurde außerdem die Einführung eines Europäischen Behindertenausweises, der die gegenseitige Anerkennung des Behindertenstatus und einen grenzübergreifenden, gleichberechtigten Zugang zu einigen Leistungen bringen soll.

Barrierefreiheit als Grundvoraussetzung 

Die 14-köpfige Österreichische Delegation stand unter der Leitung von Klaus Widl, dem Präsidenten des Österreichischen Behindertenrats. Dieser nutzte seine Redezeit im Parlament dazu, um auf die Wichtigkeit von Barrierefreiheit hinzuweisen und stärkere Sanktionen bei ihrer Nichteinhaltung zu fordern. Denn "selbst wenn EU-Förderungen theoretisch an die Voraussetzungen der Barrierefreiheit gebunden sind, erleben wir immer wieder, dass diese nicht eingehalten werden", sagte Widl. Sei es aus Unwissenheit oder "einfach nur aus Ignoranz".

Er kritisierte, dass immer noch zahlreiche Projekte gefördert werden, die nicht barrierefrei sind. "Im Ergebnis fördern wir mit öffentlichen Geldern soziale Ausgrenzung, und das kann und darf nicht sein." Barrierefreiheit sei die Grundvoraussetzung dafür, dass Menschen mit Behinderungen ihre Rechte und ihre Freiheiten chancengleich wahrnehmen könnten.

Von der Theorie in die Praxis

Dass Barrierefreiheit ausgerechnet an jenem Ort, an dem sie diskutiert wird, nicht nahtlos gegeben ist, war ein nicht ganz unwesentlicher Wermutstropfen der Veranstaltung. Eine blinde Delegierte fand etwa anfangs den Knopf für das Mikrofon auf ihrem Pult nicht, während der Countdown für die Redezeit am großen Screen gnadenlos weiter rückwärts zählte.

Auch machten diverse Barrieren im Saal das Manövrieren mit Rollstühlen für einige Personen schwierig bis unmöglich, und die Technik funktionierte in manchen Fällen nicht, so etwa jene für gehörlose Menschen mit Cochlea-Implantaten: Trotz eigens dafür bereitgestellter Technik musste anfangs auf die Tonübertragung an das Implantat verzichtet werden – ebenso wie auf die Übersetzung der Rede einer gehörlosen Delegierten, da es Tonschwierigkeiten beim Mikrofon der Dolmetscherin gab.

Die Barrierefreiheit im Sitzungssaal war nicht nahtlos gewährleistet.
Emilie GOMEZ / European Union 2023 - Source : EP

Den Worten auch Taten folgen lassen

Klaus Höckner, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs und Teil der österreichischen Delegation, betonte die Wichtigkeit der Veranstaltung und deren Außenwirkung. Das Europäische Parlament der Menschen mit Behinderung schaffe Awareness unter nicht-behinderten Menschen dafür, dass es auch noch andere Lebensrealitäten gibt.

Das Wichtigste sei für Höckner aber ganz klar, dass man den Worten auch Taten folgen lasse. Dass weder das EU-Gebäude noch die Website gänzlich barrierefrei seien, stieß auch ihm sauer auf. "Es ist schön, dass man die Worte hier hört, aber man muss sich ihnen auch widmen." (Viktoria Kirner, 24.5.2023)