Verhütungsspirale
Bei einer Charge von Verhütungsspiralen des Herstellers Eurogine kam es zu Problemen. Rund 2.000 Frauen waren davon betroffen.
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Die Causa rund um defekte Verhütungsspiralen des Herstellers Eurogine ist um ein OGH-Urteil reicher. In ihrem Spruch vom 20. April halten die Richter am Obersten Gerichtshof fest, dass die Klägerin Kostenersatz und Schadenersatz zugesprochen bekommt. Im Detail sehen Rechtsexperten aber Mängel bei dem Urteil. Aber der Reihe nach.

Eurogine hatte, wie berichtet, bei einer Charge seiner Verhütungsspiralen Mängel. Es kam immer wieder dazu, dass ein Teil der Spirale (Seitenarm) abbrach. Das führte dazu, dass der abgebrochene Teil in vielen Fällen nur operativ entfernt werden konnte, so er nicht im Zuge der Menstruation von selber abging. Neben Schmerzen führte das auch zu Kosten, wie im Fall der Klägerin im aktuellen OGH-Urteil.  

Die Klägerin musste operiert werden. Aufgrund der damaligen Corona-Situation und der Lage in den öffentlichen Spitälern – nicht lebensnotwendige Operationen wurden im Herbst/Winter 2020 um viele Wochen oder Monate verschoben – entschied die Klägerin, für die anstehende OP eine Privatklinik aufzusuchen. Die dadurch entstandenen Kosten in der Höhe von 1.158,52 Euro wollte sie vom Hersteller ersetzt haben, ebenso forderte sie ein Schmerzensgeld in der Höhe von 5.000 Euro. Dieses wurde damit begründet, dass die Klägerin bis zur Operation mit der Frage konfrontiert gewesen sei, ob es zu Komplikationen kommen werde. Das erzeugte einen großen seelischen Druck.

Dass die Klägerin im Zeitraum bis zur Operation auf andere Weise verhüten musste, sei für sie "ebenfalls belastend" gewesen. Festgelegt wurde der Zeitraum für Schmerzen wie folgt: Die Klägerin erlitt (nach Abzug der mit dem Austausch einer Spirale jedenfalls verbundenen Schmerzen) durch die Extraktionsversuche mit der Fasszange beim Gynäkologen und die Operation körperliche Schmerzen im Ausmaß von zwei Stunden starken, drei Stunden mittelstarken und elf Stunden leichten Schmerzen.

Kostenersatz anerkannt

Der OGH hat der Klägerin nun einen Kostenersatz für den Aufenthalt in der Privatklinik zugesprochen. Begründet wird das damit, dass, wenn jemand aufgrund der Situation während der Pandemie einen Wahlarzt oder eine Privatklinik aufsuchen musste, man dafür auch die Kosten ersetzt bekommen sollte. Anders sieht das beim Schmerzensgeld aus. Hier hat der OGH der Klägerin lediglich 500 Euro zugesprochen.

Das ist zwar mehr als die 150 Euro, die das Erstgericht zugesprochen hätte. Dass die Klägerin aber nicht mehr bekommt, begründen die Richter mit einem anderen Fall (4 Ob 48/16m), bei dem bei einer Operation ein Teil der verwendeten Schere abgebrochen war und ein ein Zentimeter großer Teil im Körper des Klägers verblieb. Von einer Entfernung des Fremdkörpers wurde aus medizinischen Gründen abgeraten. Der Kläger musste also mit der Ungewissheit über eine daraus möglicherweise resultierende Gesundheitsschädigung leben und bekam dafür ein Schmerzensgeld von 5.000 Euro zugesprochen.

Im aktuellen Fall der gebrochenen Spirale sei die Klägerin nur rund zwei Monate im Ungewissen über den in ihrem Körper befindlichen Fremdkörper gewesen. Darüber hinaus war sie einer Belastung durch die Einnahme eines Hormonpräparats ausgesetzt. Vor diesem Hintergrund erachtet der Senat des OGH unter Berücksichtigung der festgestellten (geringen) körperlichen Schmerzen insgesamt den Zuspruch eines Schmerzensgelds von 500 Euro als den konkreten Umständen des Einzelfalls angemessen.

Sich auf das Urteil mit der Schere zu berufen hält Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein (VSV) jedoch für nicht angemessen. Dieser Fall liege sieben Jahre zurück. 

Amtshaftungsklage in Vorbereitung

Beim VSV haben sich bisher rund 2.000 Frauen gemeldet, die eine fehlerhafte Eurogine-Spirale bekommen und mit Zwischenfällen zu kämpfen hatten. Zwischen 60 und 100 Verfahren (noch ist die Deckung durch die Rechtsschutzversicherung nicht überall geklärt) liegen aktuell bei den Bezirksgerichten. Der VSV hat mittlerweile einen Prozessfinanzierer an Bord und bereitet eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich vor, weil das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (Basg) in dem Fall laut VSV unzureichend und viel zu spät informiert habe. Die Verjährungsfrist Endet im September, Betroffene sollten sich also rasch beim VSV melden. (Bettina Pfluger, 25.5.2023)