Der Streit und das Ringen um die Macht in der SPÖ lassen Wählerschaft und Medienkonsumenten vielfach ratlos zurück. Manche Genossinnen und Genossen – so der Eindruck von außen – lehnen einander nicht nur aus inhaltlichen Gründen ab, sondern sind einander spinnefeind: eine Gruppe oder Fraktion gegen die andere.

Dieses Fraktionieren hat in der Linken eine lange und vielfach wenig ruhmreiche Geschichte. So ging etwa in den Jahren nach 1968 in den damals zahlreichen marxistischen (Klein-)Parteien und linken Gruppen der Spaltpilz um. Im Ringen um politische Positionierungen stand dort eine Fraktion gegen die andere. Die Konflikte drifteten ins Persönliche, man hasste und trennte sich, bis hin zur Bedeutungslosigkeit.

Drei Parteirepräsentanten, ein Streit um die Macht: Andreas Babler, Hans Peter Doskozil und Pamela Rendi-Wagner.
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Das sei die dunkle Seite des Fraktionierens, sagt der Ex-Politiker und Journalist Peter Pilz. Gleichzeitig aber gehöre diese untrennbar zum politischen Geschäft, links wie rechts. Dabei gehe es um "Klärung und Durchsetzung": "Es bildet sich eine Gruppe, die innerparteilich nach der Macht strebt." Als "Klärungsprozess, der, wenn er geling, zu einem neuen Aufbruch führen kann", sieht Pilz auch die aktuellen SPÖ-internen Querelen.

Luxemburg und Zetkin

In der Geschichte der Linken charakterisiert der Hang zur Fraktionsbildung aber auch das Ringen um ethisch verantwortungsvolle Positionen. So etwa das "Abweichlertum" prominenter deutscher Kommunistinnen wie Clara Zetin (1857–1933) oder Rosa Luxemburg (1871–1919). Beide Politikerinnen kehrten der SPD widerwillig den Rücken: Diese hatte mit ihrer Zustimmung zu den Kriegskrediten der Teilnahme Deutschlands am Ersten Weltkrieg erst den Weg geebnet. Von der innerparteilichen Oppositionsfraktion führte der Weg zur endgültigen Abspaltung: Luxemburg stieg – bis zu ihrer Ermordung durch protofaschistische Freikorps-Soldaten 1919 – zur Führungsgestalt der USPD auf. Manche ihrer Beiträge zur orthodoxen marxistischen Lehre werden ob ihrer Brillanz von manchen Parteigängern bis heute in Ehren gehalten.

Luxemburg wurde aber auch übel beschimpft und sexistisch beleidigt, und zwar von (gemäßigt) linker wie rechter Seite. Häufig genug goss man über die linken "Mannweiber" wahre Kübel misogynen Unrats aus. Luxemburg und Zetkin brillierten in abstraktem Denken und verstanden, sich Gehör zu verschaffen – ein Umstand, der bei manchen männlichen Zuhörern beinah körperlichen Widerwillen auslöste. (Irene Brickner, Ronald Pohl, 26.5.2023)