Lehrlinge, die hierzulande zur Köchin oder zum Koch ausgebildet werden, sollten ziemlich viel Interesse an der nationalen Küche und ihren Traditionen haben. Das zeigt schon die Ausbildungsordnung: Sie müssen Vorschläge für Tages- und Wochenkarten auf Basis "österreichischer" Speisen bieten, klassische "österreichische" Gerichte aus Innereien zubereiten und die klassisch "österreichische" Suppeneinlage herstellen können. In einem Betrieb, der hauptsächlich südostasiatische, indische oder italienische Kulinarik bietet, können sie bis heute nicht lernen.

Würde das Restaurant Mochi statt Lachs Tafelspitz kochen, dürfte es Lehrlinge ausbilden.
Mochi

So hat es auch der Gastronom und Miteigentümer der Wiener asiatischen Restaurants und Take-aways Mochi zu verstehen bekommen. Vor rund acht Jahren hat er zum ersten Mal versucht, Lehrlinge einzustellen und auszubilden. Der Grund für die Ablehnung: nicht genügend österreichische Küche im Restaurant. "Dabei stimmt ja schon der Wortlaut nicht, denn was heißt ‚österreichische Küche‘?", sagt Tobias Müller im Gespräch mit dem STANDARD. Eine Suppe werde in Deutschland auch wieder anders gekocht als in Österreich und überhaupt kämen die meisten Grundlagen aus Frankreich.

Lehrplan nicht erfüllt

Vor Corona hat er mit einem seiner Küchenchefs ein Experiment gestartet, er hat versucht, alle Speisen auf der hauptsächlich japanischen Menükarte österreichisch aufzuschreiben, also heimisch klingen zu lassen. Auch das hat den Entscheidungsträgern in der Kammer nicht gereicht. Von 100 Prozent auf der Speisekarte müssten 70 Prozent österreichisch sein, und den Lehrplan würde er so nicht erfüllen, hieß es in einem Gespräch mit einem Vertreter der Wirtschaftskammer.

Gerade erst habe Müller wieder eine Anfrage an die Kammer geschickt. Er habe eine Kooperation mit einem anderen Betrieb vorgeschlagen, der viele österreichische Speisen auf der Karte führe. Mit dem Versuch, die Ausbildung auf beide Unternehmen auszuweiten, sei er aber auch gescheitert. "Diesmal waren sie echt sauer, dass wir es überhaupt immer noch probieren, und wir sollen gar nicht mehr fragen." Ein Problem sei vor allem auch in der Küche, dass sich potenziell gutes Fachpersonal nicht bewerben würde, weil sie sich zu wenig auf internationale Küche vorbereitet fühlten, sagt der Restaurantbesitzer. Hoomer Gao, Teilinhaber der asiatischen Restaurantkette Ra’mien, hat vor einigen Jahren ähnliche Erfahrungen gesammelt. Er wollte allerdings keine Köche, sondern Kellnerinnen und Kellner als Lehrlinge ausbilden. Auch das ging nicht. "Wir hatten damals nachgefragt. Da hat es geheißen, dass eine Lehre nur möglich ist, wenn wir auch österreichische Küche haben", erzählt Gao. "Und bisher hatte sich ja auch nichts geändert."

Einige Betriebe, die aufgrund ihres Speisenangebots nicht ausbilden dürfen, versuchen über Lücken im System zu ihren Nachwuchsfachkräften zu kommen. Etwa melden sie ihre Lehrlinge in der Ausbildung Fachperson in der Systemgastronomie an, wie etwa bei McDonald’s. Nur dass sie diese dann als Köchinnen und Köche ausbilden. Oder sie bilden selbst Leute abseits einer Lehre aus. Müller etwa erzählt, Mochi nehme pro Jahr und Lokal zwei Praktikanten auf, dabei arbeiteten sie mit Schulen zusammen. "So kriegen wir dann die Jungen."

Vegan und vegetarisch

Genauso wie für asiatische, italienische und andere kulinarische Lokale gilt auch für vegane und vegetarische Betriebe: Weil sie kein Fleisch und somit keine traditionell österreichischen Gerichte kochen, dürfen Lehrlinge bei ihnen nicht arbeiten.

VIDEO: Wie vegan is(s)t Österreich?
DER STANDARD

Der Eigentümer des bekannten österreichischen Haubenrestaurants Steirereck – mit hauptsächlich heimischen Gerichten auf der Karte –, Heinz Reitbauer, fordert schon seit langem eine Art Fachhochschule für Lehrlinge aus der Koch- und Kellnerbranche von der Wirtschaftskammer, die sie nach der Lehre besuchen können, um die Gastronomie noch etwas besser zu verstehen. Aus der Forderung ist laut ihm nie etwas geworden. "Wir haben immer Bedarf an Menschen, die Spezialgebiete besetzen und fundiertes Fachwissen haben", sagt Reitbauer. Es sollte nicht auf Nationalsuppen eingegangen werden, sondern vielmehr die Vielfalt der Kulinarik ausgiebig beigebracht werden. (Melanie Raidl, 25.5.2023)