Karmasin Wess Wolm
Die frühere Familienministerin Sophie Karmasin und ihr Anwalt Norbert Wess und Co-Anwalt Philipp Wolm (l.) beim Prozess am Wiener Landesgericht.
APA/GEORG HOCHMUTH

Wien - Auch die Verteidigung hat gegen das erstinstanzliche Urteil im Prozess gegen die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) Rechtsmittel angemeldet. Bekämpft wird der Schuldspruch wegen Bestimmung zu wettbewerbsbeschränkenden Absprachen, teilte Karmasins Anwalt Norbert Wess am Freitag in einer Aussendung mit. Karmasin wurde dafür zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt. Vom Vorwurf des Betrugs wegen des Weiterbezugs ihres Ministergehalts war sie freigesprochen worden. Tags zuvor hatte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Berufung eingelegt. 

Konkret ging es beim Schuldspruch um drei Studien für das Sportministerium, für die Karmasin den Zuschlag erhielt, indem sie zwei Mitbewerberinnen - darunter ihre frühere Mitarbeiterin Sabine Beinschab - dazu brachte, "von ihr inhaltlich vorgegebene und mit ihr vorab inhaltlich abgesprochene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnende Karmasin Research & Identity GmbH die Aufträge bekommen würde", wie es in der Anklageschrift hieß. Beinschab und die zweite Konkurrentin legten zwischen April 2019 und Juni 2021 Angebote, die Karmasin dann jeweils unterbot. Das war nach Ansicht des Erstgerichts "jedenfalls rechtswidrig" und habe "gezielt den Wettbewerb eingeschränkt."

Wo kein Wettbewerb, da keine Wettbewerbsverletzung

Bereits im Prozess argumentierte die Verteidigung damit, dass schon allein deshalb keine Rechtsverletzung vorliegen habe können, da das Sportministerium keinen Wettbewerb organisiert habe, der in weiterer Folge verletzt werden konnte. Darauf stützt sich nun auch das Rechtsmittel, so Wess: Zum Vorwurf der wettbewerbsschränkenden Absprache gebe es bis dato noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung in Österreich, an die man sich bereits für die Rechtsauslegung halten könnte.

Den Freispruch vom Vorwurf des Betrugs in der Frage der Gehaltsfortzahlungen nehme Karmasin "mit einer gewissen Erleichterung" zur Kenntnis. Den rückzuzahlenden Betrag habe das Gericht auf rund 40.000 Euro festgelegt. Damit habe Karmasin, die 74.141,49 Euro rückerstattet hatte, "sogar mehr als 30.000 EUR zu viel an die Republik Österreich (im Übrigen: rechtzeitig und freiwillig) überwiesen", schreibt Wess in seiner Aussendung.  

WKStA will Freispruch bekämpfen

Auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat sich mit dem Urteil nicht zufriedengegeben: Bereits am Donnerstag wurde mitgeteilt, dass sie den Freispruch vom Betrugsvorwurf mit einer Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft und gegen die Strafhöhe für den Schuldspruch beruft.

Beide Seiten haben ab Zustellung des Urteils vier Wochen Zeit, ihre Rechtsmittel schriftlich auszuführen. Anschließend sind zunächst der Oberste Gerichtshof (OGH) beziehungsweise dann für die Strafhöhe das Oberlandesgericht (OLG) am Zug. (APA, red, 26.5.2023)