Hier schraubt der gelernte Radlmechaniker an seinen Vintage-Schönheiten.
Steffen Kanduth

Das wunderschöne Trek 990 Singletrack, auf dem Rob Rouleaux die Grachten entlangcruist, ist nicht einfach irgendein altes Mountainbike. "Auf diesem Baby fuhr ich Mitte der 1990er-Jahre meine ersten Crosscountry-Rennen", erzählt der 46-jährige stolz. Dieses Rad war der Grund, warum er mit 16 eine Lehre als Fahrradmechaniker begonnen hatte. Durch Zufall fand er exakt dieses Bike vor gut zehn Jahren auf einer Online-Plattform wieder. Er kaufte es für 90 Euro und beschloss, es wieder in den Originalzustand zu versetzen: "Am Rad waren eine Menge hässlicher neuer und veränderter Parts verbaut. Ich wollt es aber wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Genau so, wie ich es damals gefahren bin."

Dieses Projekt markierte den Beginn des Swellbow Vintage Mountainbike Shop, einer kleinen, aber feinen Radwerkstatt, die im äußersten Westen Amsterdams beheimatet ist. Rob nimmt uns mit in seine "mancave", die er sich mit zwei weiteren Bastlern teilt. Alle drei kennen sich aus der Skateboard-Szene, wovon zahlreiche Fotos und Magazincover – auf denen sie abgebildet sind oder die sie selbst geschossen haben – in der Werkstatt zeugen. Vom Zentrum der Grachtenstadt dauert die kleine Radtour zu Robs Reich eine knappe Dreiviertelstunde. Die Werkstatt befindet sich praktisch an der Stadtgrenze Amsterdams, am Horizont ist schon Haarlem, die nächste Ortschaft, zu sehen. "Genieß die Hinfahrt, denn jetzt haben wir Rückenwind, zurück in die Stadt wird es mühsamer", rät der passionierte Radler. Als waschechter Niederländer hat er es nie für nötig befunden, den Führerschein zu machen.

Nicht perfekt, aber authentisch

Am Ziel angekommen, deutet zunächst nichts auf eine Radlwerkstatt hin. Die riesige Lagerhalle ist in mehrere Holzboxen unterteilt, die durch große Schiebetüren und Holzwände voneinander abgetrennt sind. Erst als Rob seine Box öffnet, offenbart sich der Mountainbike-Schatz, der sich dahinter verbirgt. An der Wand hängen gleich neben dem Eingang fünf fertig restaurierte Vintage-Mountainbikes. Eines schöner als das andere: Ritchey, Trek, Klein, Rocky Mountain, Manitou – lauter große Namen und allesamt in fast perfektem Originalzustand. "Es geht mir nicht um Perfektion, sondern um Authentizität. Diese Räder sind rund 30 alt, und jedes hat seine Geschichte. Finde eine Person in dem Alter, die keine Narben hat – genauso ist das mit den Mountainbikes", sagt Rob.

Alte Liebe rostet nicht: Rob Rouleaux mit dem Trek 990 Singletrack, mit dem alles begann.
Steffen Kanduth

Seine Radlerkarriere hat der umtriebige Tausendsassa im Alter von acht Jahren auf dem BMX begonnen. Mit zehn Jahren kam das Skateboarden, seine zweite Leidenschaft, dazu, und mit 14 fuhr er bereits gesponsert erste Mountainbike-Rennen. Als 16-Jähriger startete er dann im Bike-Laden seines ersten Sponsors die Ausbildung zum Fahrradmechaniker. Beruflich fasste der erwachsene Rob zunächst aber in der Skateboard-Szene Fuß. Als Manager von Parks, als Fotograf und Filmer für bekannte Skater-Marken und -Magazine. Er sei ständig am Produzieren, sagt Rob. Egal ob Fotos, Filme, Räder, Skateparks oder mittlerweile auch Holzterrassen auf den Dächern Amsterdams – Holzbau ist nämlich seine jüngste Leidenschaft. "Irgendwann kam der Punkt, an dem ich eine Steuernummer als Unternehmer brauchte", erzählt er von der Gründung seiner Firma Swellbow Productions, zu der auch sein Vintage Bikeshop gehört.

Sturzverletzung als Namensgeber

Die Namensfindung sei so wie vieles in Robs Leben eher ein Zufall gewesen, erzählt er: "Ich saß im Büro bei der Handelskammer in Amsterdam, und dann wurde ich gefragt, was ich produziere und wie das Unternehmen heißen soll. An einen Namen hatte ich gar nicht gedacht, aber spontan fiel mir dann Swellbow ein, weil mir grade der Ellbogen von einem Skateboard-Sturz wehtat und das zu all meinen Geschäftsfeldern passt." Swellbow bezeichnet im Skateboard-Jargon die nach heftigen Stürzen geschwollenen Ellbogen.

In seiner Werkstatt hat Rob mittlerweile ein wahres Archiv an 1990er-Parts angesammelt.
Steffen Kanduth

Neben seinen Tätigkeiten als Fotograf und Zimmermann nahmen auch die Räder immer mehr Platz ein. In Sachen Mountainbikes beschloss Rob, sich ausschließlich auf Fabrikate aus den 1990ern zu spezialisieren. Zum einen, weil das eine Art von Wiederverwertung darstelle und die Bikes sowie Parts dieser Generation sehr robust und haltbar seien. Zum anderen seien es eben die Bikes "seiner Generation". "Angefangen hat alles mit meinem Trek 990 Singletrack, und plötzlich hatte ich 18 Räder hier stehen", beschreibt er den Beginn von Swellbow Vintage Mountainbikes schmunzelnd.

Zeitreise in die goldenen 90er

In seiner Werkstatt hat er mittlerweile ein wahres Archiv an Parts und Rahmen der 1990er angesammelt. Ein Rundgang fühlt sich an wie eine Zeitreise in diese goldene und verrückte Zeit des Sports. Drei-Speichen-Laufräder, Elastomer-Federgabeln und allerlei historische Komponenten lagern dort fein säuberlich sortiert. "Ich versuche, die Räder so originalgetreu wie möglich zu restaurieren", erklärt der Fachmann, der vom Einspeichen über das Lackieren bis zum finalen Aufbau alles selbst macht. Wobei er mittlerweile nur mehr auf Auftrag Kompletträder für Kunden zusammenschraube. "Viele, die sich für diese Art Fahrräder interessieren, wollen ihr eigenes Projekt selbst bauen und es nicht fertig kaufen", sagt Rob. Daher hat er sich auf den Verkauf von Originalteilen für Bastler spezialisiert.

Eine Zeitreise in Sachen Federung.
Steffen Kanduth

Er selbst habe beim Aufbau der ersten Vintage-Räder bemerkt, wie schwierig diese Suche nach Originalteilen sein kann. Als Rob etwa die gelben Tioga-Psycho-butterscotch-Mäntel für sein einstiges Trek-990-Renn-Mountainbike gesucht hat, dauerte es Monate, sie original und neuwertig zu finden. Heute hütet er die beiden Mäntel, die ihn 300 Euro gekostet haben, wie einen Schatz und zieht sie nur für Fotos auf, im Alltagsverkehr werden günstigere benutzt. "Am längsten suchte ich den A-Tac-Vorbau für das Manitou. Es dauerte ein ganzes Jahr, den zu finden", erzählt Rob von der erfolgreichen Jagd.

Riding the Dutch Mountains

Wer bei Swellbow eine seltene Komponente bestellen will, kann allerdings auf keinen Online-Katalog zugreifen. "Ich kam bisher noch nicht dazu, das Lager online zu stellen. Daher am besten ein E-Mail an mich schicken, was genau gebraucht wird, und ich suche danach. Außerdem rede ich gerne mit den Leuten, also kontaktiert mich einfach", beschreibt er den etwas anderen Bestellvorgang. Preislich habe sich der Markt in den vergangenen zehn Jahren sehr verändert. Waren viele Teile um 2010 herum noch sehr günstig zu haben, so seien die Summen, die heute für spezielle Kurbeln, Gabeln oder Felgen geboten und bezahlt werden, deutlich gestiegen. Für Kompletträder wie etwa das Trek 8700 ZX 1995, eines der ersten Carbon-Mountainbikes, verlangt Rob zum Beispiel 899 Euro.

Die Rahmen lackiert der gelernte Fachmann bei Bedarf selbst. Kleinere Gebrauchsspuren werden aber nicht ausgebessert, denn jedes dieser Räder hat eine Geschichte, und zu der gehören solche Narben.
Steffen Kanduth

Doch der Niederländer baut die Vintage-Mountainbikes nicht nur, er fährt sie auch weiterhin. Im Stadtverkehr steigt er wegen der in Amsterdam latenten Diebstahlgefahr nur selten auf eine seiner restaurierten Schönheiten. Aber die Niederlande haben – man höre und staune – durchaus lohnende Trail-Reviere zu bieten. Zum Beispiel nahe Utrecht, wo Rob seine Bikes am liebsten ausfährt. "Dort gibt es kilometerlange Trails durch die Hügel, genau das Richtige für solche Retro-Räder", kommt der ehemalige Racer ins Schwärmen. Denn bei aller Liebe fürs Restaurieren: In erster Linie sind Mountainbikes für Rob Spaßmaschinen, die es zu bewegen gilt. (Steffen Kanduth, 26.5.2023)

Besser als das Geschäft mit Kompletträdern läuft mittlerweile der Handel mit Originalteilen aus den 1990ern.
Steffen Kanduth