Ursprüngliche Bedenken der US-Zulassungsbehörde FDA zu Gehirnimplantaten von Neuralink scheinen beseitigt.
Reuters/Dado Ruvic

Bislang ist bei Neuralink eigentlich nicht viel nach Plan gelaufen. Das von Elon Musk gegründete Unternehmen für die Entwicklung von Gehirnimplantaten musste in der Vergangenheit neben Rückschlägen auch viel Kritik einstecken. Jetzt hat Neuralink offenbar dennoch einen entscheidenden Meilenstein erreicht, der dem Unternehmen bislang verwehrt geblieben ist: Die US-Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) erteilte eine Genehmigung für Humanstudien.

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Direkt ans Gehirn angedockt

Elon Musk ist also einen entscheidenden Schritt weiter, das menschliche Gehirn mit dem Computer zu vernetzen. Die Idee dahinter klingt eigentlich simpel: Ein Chipimplantat soll es ermöglichen, körperliche Einschränkungen zu überbrücken, aber auch Computer und andere Geräte durch Gedanken zu steuern.

Dieses Implantat mit einem Durchmesser von rund zwei Zentimetern soll direkt im menschlichen Schädel positioniert werden und über hauchdünne Leitungen direkt mit den Nervenzellen des Gehirns verbunden sein. Tatsächlich sind diese Verbindungen so fein, dass sich die Implantation nur mithilfe eigens entwickelter OP-Roboter durchgeführt werden kann. Danach lassen sich neurologische Signale aufzeichnen, aber auch senden.

Medizinische Zwecke - und bedenkliche Visionen von Musk

Das Gehirnimplantat soll in einem ersten Schritt medizinische Behandlungen unterstützen und im Idealfall körperliche Beeinträchtigungen überbücken. Dazu zählt beispielsweise die Behandlung von Sehstörungen, Hörverlust, Schlaflosigkeit oder auch Depressionen. Läuft alles nach Plan, sollen gelähmte Menschen mit dieser Technologie sogar wieder gehen können.

Es wäre aber kein Projekt von Elon Musk, wenn nicht wieder mindestens eine bittere Note enthalten wäre: So ließ der Tech-Milliardär in diesem Zusammenhang auch anklingen, dass eine solche Computer-Gehirn-Schnittstelle zudem notwendig sei, um künftig mit den Fortschritten künstlicher Intelligenz konkurrieren zu können. Mit so einem Implantat wäre es nicht nur möglich, dass man sein Wissen – quasi auf Knopfdruck – erweitern könne. Man könnte mit anderen Neuralink-Nutzenden auch seine Gedanken telepathisch austauschen oder etwa Gedanken extern "speichern".

Bedenken der FDA beseitigt

Auch wenn Musk schon öffentlichkeitswirksam beteuerte, dass Neuralink so sicher sei, dass er es sogar seinen eigenen Kindern implantieren würde, scheiterte das Projekt bis jetzt an einem wesentlichen Punkt: Die FDA hatte bislang erhebliche Bedenken, diese Vision mit Musk zu teilen. Konkret ging es der Zulassungsbehörde um technische Probleme.

Sie betrafen die Lithiumbatterie des Geräts und die Möglichkeit, dass die Drähte des Implantats im Gehirn zu wandern beginnen können. Auch die Herausforderung, das Gerät wieder sicher entfernen zu können, ohne das Hirngewebe zu beschädigen, schien nicht gewährleistet zu sein. Deshalb wurde Antrag auf eine Zulassung anfangs auch abgelehnt.

Umso überraschender wirkt daher die frohe Botschaft von Neuralink, dass die FDA-Zulassung "einen wichtigen Schritt darstellt, dass unsere Technologie eines Tages vielen Menschen helfen kann", wie das Unternehmen in einem Tweet mitteilte. Einzelheiten zur geplanten Studie sind derzeit offiziell noch nicht vorhanden, auch die Rekrutierung für die Studie habe noch nicht begonnen. Ins Detail wollte auch die FDA nicht gehen, bestätigte aber in einer Erklärung, dass Neuralink das Implantat und seinen chirurgischen Roboter an Patienten verwenden dürfe.

Umstrittene Wege zum Ziel

Die Genehmigung der FDA verwundert auch insofern, als dass Neuralink mit seinen Methoden immer wieder in Kritik geraten ist. Gerade deshalb, weil in der Vergangenheit offenbar fahrlässige Fehler begangen worden sind. Mitarbeiter von Neuralink berichteten im vergangenen Jahr beispielsweise, dass das Unternehmen Operationen an Affen, Schweinen und Schafen überstürzt und verpfuscht habe. Das führte dazu, dass mehr Versuchstiere als nötig starben, weil Musk die Mitarbeiter in einem ohnehin toxischen Arbeitsumfeld unter Druck gesetzt haben soll, um die Genehmigung der FDA endlich zu erhalten.

Im Mai forderten US-Gesetzgeber Aufsichtsbehörden daher auf, zu untersuchen, ob die Zusammensetzung eines Gremiums, das Tierversuche bei Neuralink beaufsichtigt, zu verpfuschten und überstürzten Experimenten beigetragen hat, nachdem über mögliche finanzielle Konflikte im Gremium berichtet worden war. Zudem laufen auch gerade Untersuchungen, ob Neuralink illegal gefährliche Krankheitserreger auf Chips transportiert hat, die aus Affengehirnen entnommen wurden, ohne die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Vor diesem Hintergrund erscheint es jedenfalls umso schwieriger, sich mit der Idee dieser Gehirnimplantate anzufreunden. (bbr, 27.5.2023)