Beim Baden an warmen Meeresküsten und Seen können Vibrionen zum Gesundheitsrisiko werden. Sie kommen in leicht salzhaltigen Gewässern vor.
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Älteren Generationen wird oft vorgeworfen, sich zu wenig um die Folgen der Klimakrise zu kümmern. Dabei dürften die Auswirkungen der globalen Erhitzung auch sie stark betreffen: Ältere Menschen haben – wie sehr junge oder geschwächte Personen – größere Probleme mit Hitzewellen, Infektionen und anderen gesundheitlich belastenden Phänomenen, die den Prognosen zufolge künftig häufiger auftreten.

Das macht auch der neue Sachstandsbericht zu Klimawandel und Gesundheit deutlich, dessen erster Teil am Donnerstag vom deutschen Robert-Koch-Institut veröffentlicht wurde und auch im "Journal of Health Monitoring" erscheint. "Unsere Intention ist nicht Panikmache, sondern wir wollen aufklären und die Bevölkerung sensibilisieren", betonte eine der Autorinnen, Elke Hertig, bei einem Pressegespräch vor der Veröffentlichung. Sie forscht als Professorin für regionalen Klimawandel und Gesundheit an der Universität Augsburg.

Der erste Teilbericht fasst den aktuellen Wissensstand zum Thema mit Fokus auf Deutschland und Europa zusammen und liefert konkrete Handlungsempfehlungen. Dabei geht es schwerpunktmäßig um Infektionskrankheiten und Antibiotikaresistenzen. Der Report befasst sich also vor allem mit indirekten Folgen der Klimakrise, die zwar seltener vorkommen als der Hitzekollaps, aber dringend beobachtet werden müssen. "Die wissenschaftliche Evidenz ist überwältigend", sagt Hertig. Stechmücken und Zecken breiten sich beispielsweise mit steigenden Temperaturen aus, unter anderem in höhere Lagen.

Zugvögel aus den Tropen

Ein prominentes Beispiel ist die Asiatische Tigermücke, die 2022 erstmals in allen österreichischen Bundesländern nachgewiesen wurde. Sie fühlt sich in Zentraleuropa immer wohler und kann durch die Übertragung von Viren und Bakterien unter anderem das mitunter tödliche Denguefieber und das Chikungunyafieber auslösen. Dafür muss sie allerdings zuvor ein infiziertes Individuum gestochen haben.

Selbst die in Europa heimische Gemeine Stechmücke kann in einem solchen Fall etwa das West-Nil-Virus übertragen, das nicht nur durch Reiserückkehrer, sondern zudem durch Zugvögel aus den Tropen in nördliche Gebiete gelangt. Im Osten Deutschlands kommt es seit 2019 vereinzelt zu Erkrankungsfällen, bei denen der Erreger durch Gelsen übertragen wurden. In 20 bis 30 Prozent der Infektionen mit solchen Erregern kommt es zu Symptomen, sagt Klaus Stark vom Robert-Koch-Institut, der ebenfalls am Bericht beteiligt war. Obwohl die Fallzahlen noch gering sind, sei es wichtig, dass die Bevölkerung und ärztliches Personal bei starken Kopfschmerzen, Fieber und anderen Symptomen an mögliche Folgen von Insektenstichen denke.

Malaria in Europa ausgerottet

"Auch Deutschland war einmal ein Gebiet, das endemisch von Malaria betroffen war", merkt Hertig an. "Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde Malaria in Europa ausgerottet." Hier zeigt sich ein bemerkenswerter Konflikt. Denn bei der Zurückdrängung der Malaria spielten das Trockenlegen von Mooren und Sümpfen und die Begradigung von Flüssen, aber auch gezielt eingesetzte Insektizide eine wichtige Rolle. Solche Maßnahmen werden heute durchaus kritisch betrachtet. Immerhin sind Sümpfe Kohlenstoffsenken, natürliche Flussverläufe bieten einen gewissen Schutz vor Überflutungen. Und ein umfangreicher Einsatz von Chemikalien, um Insekten zu töten, ist in Zeiten der Biodiversitätskrise ebenfalls zu hinterfragen. Andererseits wurde so ein ganzer Kontinent von einer potenziell tödlichen Infektionskrankheit befreit.

Detailaufnahme einer Stechmücke, die Blut aus einem menschlichen Arm saugt.
Gelsen können Krankheitserreger übertragen. Das Beispiel der Malaria-Ausrottung zeigt, wie komplex sich Eingriffe in Ökosysteme auswirken können.
APA/dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Der Bericht weist ebenfalls auf solcherlei Konflikte hin. "Bei Mückenausbreitungen spielen Wasserflächen eine große Rolle für das Ei- und Larvenstadium der Tiere", sagt Klimawandelforscherin Hertig. Deswegen wolle man offene Wasserflächen vermeiden. "Auf der anderen Seite ist Wasser für die Stadtnatur essenziell." Von anderen Insekten bis hin zu Vögeln sind viele Tiere auf Tränken, die bei Regen entstehen oder permanent vorhanden sind, angewiesen. Entsprechend müssen verschiedene Interessen gegeneinander abgewogen werden, sagt Hertig. Dabei können Programme zum kleinräumigen Mückenmonitoring bei wiedervernässten Mooren und an diversen Hotspots helfen.

Erdbeerpflücken und Mäusekot

Überraschende Überträger sind in diesem Zusammenhang Mäuse und Ratten. Die Rötelmaus etwa ist nicht nur Zwischenwirt für den Fuchsbandwurm, sondern auch für das Hantavirus, das schweres Fieber mit Blutungen auslösen kann. Den Erreger verbreitet sie über Urin und Kot, auf den Menschen gelangt er durch Berührung oder wird eingeatmet. "Größere Ausbrüche kommen beispielsweise bei Erdbeerpflückern immer wieder vor", sagt Stark, teils mit Tausenden Betroffenen. Da sich diese Wühlmäuse von Bucheckern ernähren, vermehren sie sich stark in Buchen-Mastjahren, also wenn die Bäume besonders viele Samen produzieren. "Die Zyklen der starken Buchenmast haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen: Während sie früher alle drei bis fünf Jahre vorkam, gibt es sie jetzt alle zwei Jahre."

Auch die Überschwemmung von Feldern kann zur Ausbreitung der Erreger beitragen, und Starkregenereignisse kommen wie extreme Dürren und Hitzewellen durch die Klimakrise häufiger vor. In anderen Weltregionen sorgen Fluten stärker als in Europa durch frei werdendes Schmutzwasser für die Ausbreitung von Infektionskrankheiten, die gesundheitliche Versorgung ist insbesondere im globalen Süden schlecht.

Doch es gibt auch Probleme, die insbesondere Europäerinnen und Europäer betreffen. Hier steigen die Temperaturen doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt, und damit die Gefahr von Hitzewellen. Bei einer ungebremsten Erderhitzung und einem Temperaturanstieg um vier bis fünf Grad könnte es in Deutschland nicht mehr nur zwei bis drei Hitzewellen pro Jahr geben, sondern mindestens doppelt so viele, sagt Hertig.

Badebegegnung mit Vibrionen

Außerdem ist die Bevölkerung Europas relativ alt, was sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter zuspitzen dürfte. Ältere Menschen können mit extrem hohen Temperaturen meist schlechter umgehen. Auch Infektionen sind nicht mehr so leicht zu bewältigen. Entsprechend wichtig wird es für Ältere, Kleinkinder, Schwangere und Vorerkrankte, vorsichtiger zu sein – vom Salat, der im Sommer zu lang in der Sonne steht und den Nährboden für Salmonellen liefert, bis hin zum Urlaub am Badesee oder Meer.

Denn in leicht salzhaltigem Wasser, wie es auch in Nord- und Ostsee und dem Neusiedler See (sofern nicht ausgetrocknet) zu finden ist, vermehren sich durch die Erwärmung bestimmte Bakterien. Gefährlich werden können die sogenannten Nicht-Cholera-Vibrionen. Geht man mit größeren oder auch winzigen Wunden baden, schluckt Wasser oder isst wenig gegarten Fisch und Muscheln aus belasteten Gewässern, können Vibrionen in den Körper gelangen. Die Symptome reichen von Durchfall über Fieber und schmerzende Wunden bei Nichtbehandlung bis zu Nekrosen, Sepsis oder gar zum Tod. Auch hier gibt es allein an der Ostsee mit bis zu zwanzig Fällen pro Jahr relativ wenige Betroffene, sagt Stark. Das Problem werde in Zukunft aber immer häufiger vorkommen. (Diese Karte liefert zumindest für Küstenbereiche eine interaktive Risikoeinschätzung, wenn die Wassertemperatur hoch genug ist.)

Behandelt werden Vibrionenerkrankungen mit Antibiotika. Doch auch in diesem Bereich warnt der Bericht vor Veränderungen durch den Klimawandel. Zwar gibt es für Europa noch wenige Studien, doch diese deuten darauf hin, dass ein Anstieg der Temperaturen mit höheren Raten der Antibiotikaresistenz bei häufigen Krankheitserregern einhergeht.

Abbildung aus der Studie, blaue Pfeile verbinden verschiedene Informationsboxen, die direkte und indirekte Auswirkungen und soziale Einflussfaktoren in Stichpunkten zusammenfassen, von Hitzestress über Todesfälle bei Überflutungen bis hin zu mehr Allergien, Hautkrebs und Infektionen.
Die Grafik fasst gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels zusammen.
Hertig et al. 2023, Robert-Koch-Institut

Impfen und weitere Prävention

Wichtig sei künftig, dass das Gesundheitswesen sich auf solche Herausforderungen vorbereitet, die Trends weiter beobachtet und Wissen um die Symptome verbreitet wird, macht der Bericht deutlich. Aber auch die Bevölkerung müsse gut informiert sein. Mit ärztlicher Hilfe könne man das eigene Risiko abschätzen und Impfungen – etwa gegen die von Zecken übertragenen Erreger von FSME – sowie deren Auffrischungen in Betracht ziehen. "Gerade in Bezug auf Zecken und Mücken gibt es einfache Präventionsmaßnahmen", sagt Hertig, die vielen Menschen schon in Zeiten lernten, als der Klimawandel öffentlich selten diskutiert wurde. Letztendlich sei "Klimaschutz der effektivste Gesundheitsschutz".

Zuletzt veröffentlichte das RKI 2010 einen Sachstandsbericht zu Gesundheit und Klimawandel. Ähnliche Reports werden auch jährlich im Rahmen des "Lancet Countdown" publiziert, seien aber nicht so umfassend, so die Einschätzung der Infektionsforscherin Marina Treskova von der Universität Heidelberg. "Auch in einem europäischen Kontext ist der Bericht wichtig zur Vorbereitung und Anpassung, da Infektionskrankheiten keine Ländergrenzen kennen und der Klimawandel Maßnahmen auf mehreren Ebenen erfordert." In einem weiteren Teilbericht werden sich die Fachleute nicht-übertragbaren Krankheiten widmen. Dann behandeln sie die Auswirkungen durch Hitze und Extremwetterereignisse, erhöhte UV-Strahlung, Luftschadstoffe sowie die Folgen für psychische Gesundheit. (Julia Sica, 1.6.2023)