AMS
Die Arbeitslosigkeit stieg im Mai um drei Prozent.
APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Die Wirtschaftsdynamik in Österreich schwächt sich ab und lässt die Arbeitslosigkeit steigen. Ende Mai gab es im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2,9 Prozent mehr Personen ohne Job. Arbeitslose und Schulungsteilnehmer zusammengerechnet waren 320.602 Personen (plus 9.059) ohne Beschäftigung. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich leicht um 0,2 Prozentpunkte auf 5,9 Prozent. Die Arbeitslosigkeit war im April im Jahresabstand das erste Mal seit zwei Jahren gestiegen.

Für Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) fällt der Anstieg der Arbeitslosigkeit "moderat" aus. Im Frühjahr seien saisonale Schwankungen der Arbeitslosigkeit "nichts Ungewöhnliches", erklärte Kocher am Donnerstag in einer Aussendung. "Natürlich fallen positive Effekte am Arbeitsmarkt aufgrund der abgekühlten Konjunktur in diesem Jahr schwächer aus als noch im Vorjahr, das von einer außerordentlich guten Konjunktur- und Arbeitsmarktentwicklung geprägt war."

Konjunktur trübt sich ein

Seit 21. April haben Ukrainerinnen und Ukrainer einen völlig freien Arbeitsmarktzugang in Österreich und werden deswegen in der Arbeitslosenstatistik erfasst. Von den 9.000 zusätzlichen Arbeitslosen und Schulungsteilnehmern Ende Mai sind laut AMS-Vorstand Johannes Kopf etwa 4.400 Vertriebene aus der Ukraine."Die schwache Wirtschaftsentwicklung, die hohe Inflation und ein verstärkter Zugang von arbeitssuchenden Konventionsflüchtlingen oder subsidiär Schutzberechtigten erklären den restlichen Anstieg", so der AMS-Vorstand in einer Stellungnahme.

Die Konjunktureintrübung in Österreich macht sich auch am Stellenmarkt bemerkbar. Beim Arbeitsmarktservice waren Ende Mai über 117.000 offene Stellen als sofort verfügbar gemeldet, ein Minus von rund 15 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Tourismus und Bau, aber auch die Industrie suchen laut dem AMS-Chef "nicht mehr so viele Arbeitskräfte wie voriges Jahr".

Im Gegensatz dazu sagt der KSV-Chef Ricardo-Josè Vybiral in einer Aussendung, dass sich das Problem des Arbeitskräftemangels in der Industrie besonders dramatisch gestalte, wo sieben von zehn Betrieben über fehlende Mitarbeiter klagten. Und auch die Bauwirtschaft kämpfe mit fehlendem Personal. Laut Wirtschaftsbund sind im Bereich Bau, Baunebengewerbe, Holz, Gebäudetechnik 23.423 Stellen offen.

Arbeitskräftemangel hoch

Obwohl die Arbeitslosigkeit im Mai gestiegen ist, herrscht weiterhin ein immenser Arbeitskräftemangel. Dieser ist laut Kreditschutzverband (KSV 1870) "allgegenwärtig" und betrifft laut einer Umfrage 58 Prozent der Firmen, 26 Prozent sogar sehr. Das führt bei bestehenden Mitarbeitern zu einer hohen Zusatzbelastung. Zudem müssen Firmen neue Aufträge auch wegen zu wenig Personal häufig ablehnen. Laut ÖVP-Wirtschaftsbund-Auswertung sind derzeit fast 216.000 Jobs ausgeschrieben.

"Der Mangel an Arbeitskräften ist eines der zentralen Themen der Gegenwart. Hier braucht es schleunigst einen Schulterschluss zwischen politischen Entscheidungsträgern und der Wirtschaft", fordert KSV-Chef Ricardo-Josè Vybiral in einer Aussendung. Auf Bundesländerebene fehlt es derzeit vor allem in Kärnten (73 Prozent) und Oberösterreich (67 Prozent) an Arbeitskräften. Dagegen sieht sich in Vorarlberg nur jedes fünfte Unternehmen (20 Prozent) vom Personalmangel unmittelbar betroffen, so der KSV.

"Der Arbeitskräftemangel ist eine enorme Belastung für die Unternehmerinnen und Unternehmer in Österreich", klagte ÖVP-Politiker und Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger in einer Aussendung. "Teuerung und vom grünen Koalitionspartner blockierte Energiehilfen machen besonders dem Rückgrat unserer Wirtschaft, den KMUs, zu schaffen." Die Steuerbefreiung von Überstunden gehöre ausgeweitet, und ältere Arbeitnehmer sollten durch Anreizmodelle länger im Erwerbsleben gehalten werden, so Egger. "Ich appelliere daher an alle Entscheidungsträger, rasch Lösungen umzusetzen, damit Leistung wieder Wertschätzung findet", so der Abgeordnete. (APA, red, 1.6.2023)