Künstlerische Darstellung der Mars-Express-Sonde. Das Hintergrundbild wurde tatsächlich von ihr aufgenommen.
Spacecraft image credit: ESA/ATG medialab; Mars: ESA/DLR/FU Berlin, CC BY-SA 3.0

Auch ältere Hardware kann noch gute Dienste leisten. Das bewies die Europäische Weltraumorganisation (Esa). Die 2003 gestartete Mission Mars Express, die seither den Roten Planeten umkreist, lieferte zu ihrem runden Geburtstag erstmals einen Livestream vom Mars. Der Begriff wird eher weit ausgelegt: Am Freitag ab 18 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit schickte die Sonde eine Stunde lang höchst aktuelle Ansichten zur Erde, das heißt: Etwa alle 50 Sekunden gab es ein neues Bild von der Marsoberfläche. Dennoch kämen diese Express-Bilder "einer Liveansicht des Roten Planeten am nächsten", schrieb die Esa in einer Aussendung.

First livestream from the Red Planet
Der Livestream zum Nachschauen.
European Space Agency, ESA

Werden Daten vom Mars zur Erde geschickt, kommt es zu einer Verzögerung von drei bis 22 Minuten. Das hängt davon ab, wie nah sich die Planeten gerade sind, ob sich die Sonne zwischen ihnen befindet und wie die Antenne der Sonde ausgerichtet ist. Derzeit dauert es 16 bis 17 Minuten, bis Licht vom Mars die Erde erreicht und in diesem Tempo Daten übertragen werden können. Etwa eine zusätzliche Minute dauerte es, bis das aktuellste Bild durch die Server kam und ausgesendet werden konnte. 

Earth and Mars orbiting around the Sun
Bobby van der Sluis

Eigentlich war die Mission Mars Express nur für die Dauer eines Marsjahres geplant. Der Planet benötigt 687 Tage, um die Sonne zu umrunden, also beinahe zwei Erdjahre. Die Mission wurde jedoch verlängert und blickt aktuell einer Laufzeit bis Ende 2026 entgegen. Der Livestream am Freitag wurde von einer "Webcam" durchgeführt, die eigentlich für technische Zwecke gedacht war und vor 20 Jahren dokumentierte, wie sich der Mars-Lander Beagle-2 von der Rakete löste. Etwa vier (Erd-)Jahre lang war die Kamera nicht im Einsatz, dann wurde die VMC (Visual Monitoring Camera) für wissenschaftliche Zwecke und zur Wissenschaftskommunikation wieder eingeschaltet. Sie zeigte neue Bilder über Twitter und nun über Mastodon.

Die VMC-Kamera war ursprünglich nicht für qualitativ hochwertige Bildübertragung konzipiert, schickte aber dennoch für den ersten Livestream vom Mars Bilder zur Erde.
ESA

Erfolgreiche Mission

Die Bildqualität konnte bis heute verbessert werden, sagt VMC-Betreuer Jorge Hernández Bernal: "Durch diese Bilder haben wir viel entdeckt, unter anderem die Entwicklung einer seltenen länglichen Wolkenformation, die über einem der berühmtesten Vulkane des Mars schwebt, dem 20 Kilometer hohen Arsia Mons." Dort können Wolken entstehen, wenn starke Winde über die Vulkanspitze hinwegfegen, die Atmosphäre abkühlen und Wasser kondensieren lassen. Hernández Bernal beantwortete mit seinem Kollegen Simon Wood während des Livestreams Fragen von Interessierten.

Mit diesem Bild dokumentierte die VMC-Kamera in der Vergangenheit eine längliche Wolke über dem Marsvulkan Arsia Mons.
ESA/GCP/UPV/EHU Bilbao, CC BY-SA 3.0 IGO

Zwar gibt es auch eine weitere Kamera auf der Sonde, die für wissenschaftliche Zwecke hochauflösende Bilder schickt, die HRSC. Diese kann allerdings nicht so häufig Bilder schicken. Zum Jubiläum veröffentlichte die Esa zusätzlich eine neue zusammengesetzte Ansicht des Mars aus HRSC-Fotos, die den Planeten blauer als sonst aussehen lässt.

Eine zusammengesetzte Ansicht des Mars aus hochauflösenden Fotos der HRSC-Kamera.
ESA/DLR/FU Berlin/G. Michael, CC BY-SA 3.0 IGO

Durch die leistungsfähigere Kamera wurden in den vergangenen 20 Jahren beeindruckende Aufnahmen von der Marsatmosphäre und der Oberfläche des Planeten aufgenommen. Sie zeigen Flussbette, Einschlagskrater und andere Höhen und Tiefen, die vom Wind mitgestaltet wurden.

Medusae Fossae auf dem Mars.
ESA/DLR/FU Berlin, CC BY-SA 3.0 IGO

Mars Express ist die erste Sonde der Esa, die einen fremden Planeten umkreist. Während die Weltraumorganisation den 20. Geburtstag des Mars Express feiert (und eigens eine Musikliste auf Spotify zusammengestellt hat), ist eine weitere Sonde auf dem langen Weg zum Jupiter: Juice startete im vergangenen April und dürfte ab 2031 Daten vom größten Planeten im Sonnensystem liefern sowie seine Monde beobachten.

Die Mission Mars Express in Zahlen.
ESA

Einfluss des spanischen Wetters

Dass es mit der Bildübertragung am Freitag überhaupt klappte, war gar nicht so sicher. Immerhin handle es sich um eine alte Kamera, die nicht ursprünglich dafür konzipiert wurde, sagte im Vorfeld James Godfrey vom Missionskontrollzentrum der Esa im deutschen Darmstadt. "So etwas wurde noch nie versucht, und um ehrlich zu sein, sind wir nicht hundertprozentig sicher, ob es funktionieren wird. Normalerweise sehen wir Bilder vom Mars und wissen, dass sie Tage zuvor aufgenommen wurden. Ich freue mich darauf, den Mars so zu sehen, wie er jetzt ist – so nah an einem 'Jetzt', wie wir es hinbekommen können!"

Erfreulicherweise kam die Übertragung zustande, wenngleich sie zwischendurch aufgrund von schwierigen Wetterverhältnissen bei der empfangenden Station auf der Erde gestört wurde. Diese Station befindet sich in der Nähe von Madrid, wo Regenschauer den Datenstrom beeinträchtigten. Die gute Nachricht: Der Regen brachte immerhin Erfrischung für die spanische Region, in der es heiß und trocken war.

Dieses Bild wurde aus neun Fotos der VMC-Kamera zusammengesetzt.
ESA/D. O'Donnell - CC BY-SA IGO

Livestreams sind in der Raumfahrt eher selten, wenn man die Sphäre von Satelliten und der Internationalen Raumstation (ISS) verlässt. Zu den berühmtesten Bildern und Videos zählen freilich jene der Apollo-Missionen, die die ersten Spaziergänge von Menschen auf dem Mond dokumentierten. Ein jüngeres Beispiel entstand im vergangenen Herbst bei der Dart-Mission: Dabei schaffte es eine Sonde durch ihren Einschlag, einen Asteroiden leicht abzulenken. Das bisher einzigartige Experiment hilft, künftige Bedrohungen durch Einschläge auf der Erde einzuschätzen und sie gegebenenfalls zu verhindern.

Apollo 11: Live from the Moon I How the Moon landing broadcast worked
In 1969 Apollo 11 became the first manned space craft to land on the Moon. The amazing feat was broadcast to millions of people across the United Kingdom and Europe from the Goonhilly Earth Station on the Lizard Peninsula in Cornwall. Pip Greenaway was one of
Science Museum

Als Trost, dass die neuen Bilder vom Mars doch nicht so "live" waren wie vielleicht angenommen, dient vielleicht die Erinnerung, dass auch Fernsehsendungen mit "Live"-Bezeichnung nicht immer in Echtzeit ausgestrahlt werden. Je nach Empfangsweg kann es zu unterschiedlich großen Verzögerungen im Sekundenbereich kommen, manchmal ist es auch die Regie, die eine Verzögerung erwirkt und es sich so vorbehält einzugreifen, etwa bei der Verleihung der Oscar-Filmpreise. (sic, 2.6.2023)