SPÖ Parteitag Babler Doskozil
Der eine führt Scharen unter dem "Wappen des Aufruhrs", der andere gebietet über Pannoniens leutselige Söhne und Töchter: Andreas Babler (li.) und Hans Peter Doskozil, Bewerber um den Posten eines SPÖ-Vorsitzenden.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Außerordentlicher Bundesparteitag der SPÖ im Design Center Linz, früher Morgen. Zwei nicht mehr junge "innenpolitische Beobachter" betrachten, die Nasen einträchtig auf die Brüstung gelegt, den Einzug der Delegierten.

Beobachter 1: Sieh an dies‘ herrliche Schauspiel. Niemand darf sich der Pracht solcher Helden vergleichen. Ermiss das Wehen der Fahnen und Wimpel, das Schnauben kampfesmutiger Gewerkschafter! Sag an, wer sind die herrlichen Kämpen, die hier drängen ans reichlich gedeckte Buffet, auf dem, noch glutwarm und duftend, die goldenen Kipferln prangen? Durch hauchzarte Filter gepresst, Kaffee dampft?

Beobachter 2: Mir deucht, Recken sind’s aus dem sonnigen Seewinkel, Pannoniens leutselige Söhne und Töchter. Sie schirmen Doskozil, ihren Herrn und Gebieter, den grimmen Gendarmen.

Beobachter 1: Und jene dort, die furchtbar auf Händel erpicht sind, mit Karl Marx‘ Kopf, dem Wappen des Aufruhrs, auf ihrer stolzgeschwellten Brust?

Beobachter 2: Traiskirchner Fußvolk ist‘s, das früher, als stolz seine Schlote qualmten, gewaltige Reifen aus Gummi gefertigt. Zu ihren Häupten steht Babler. Hör nur – wie er, von Streitlust ergriffen, der EU mit flutschender Zunge am Zeug flickt!

Beobachter 1: Und die dort, die stehen im Abseits, in welker Panier, mit finsteren Mienen?

Beobachter 2: Die Liesinger Partie ist‘s!

Beobachter 1: Noch andere – kaum weniger herrlich – hat mein umwölktes Auge erspäht: die Abordnung, bleigrau, der Vielerfahrenen, von Muchitsch und Wimmer. Furchtbar entlädt sich ihr Zorn, wenn die Gönner von Wirtschaft und Arbeit mit strichdünnen Lippen den Zaster verwahren. Und jene beiden, mit rauchendem Auspuff, die auf Rössern aus blinkendem Stahl in das wimmelnde Volk hineinfahren? Als teilte Moses vor sich das Rote Meer?

Beobachter 2: Die beiden "Red Biker", seit je schrecklich anzuschauen.

Beobachter 1: Wer wird im furchtbaren Streit der beiden Allgewaltigen, Doskozil, Babler, den Siegeslorbeer ergattern? Doch still, mir scheint, ein Liesinger hat das Podium erklommen, zu richten das Wort an die rüstigen Haufen!

Stimme des amtierenden SPÖ-Bundesgeschäftsführers: Lie -wää Freunde, G’nossinnen ‘n‘ G‘noss‘n…

Beobachter 2: Was spricht der Mann? Wie will es mich bedünken?

Beobachter 1: Deutsch. Es ist Deutsch.

Beobachter 2: Das mag ich unmöglich glauben.

(Vorhang) (Ronald Pohl, 3.6.2023)