Massud Mossaheb lässt es sich nicht nehmen, im Telefonat mit dem STANDARD – der über seine Geschichte und die des zweiten österreichischen Gefangenen im Iran, Kamran Ghaderi, über die Jahre regelmäßig berichtet hat – ein Loblied auf den Rechtsstaat und die Demokratie Österreich zu singen. Die beiden Doppelstaatsbürger, die seit Samstag wieder in Wien sind, haben einen langen Leidensweg in iranischer Haft hinter sich.

Mossaheb, der im Jänner 2019 verhaftet wurde und die letzten Monate wegen seiner Krebserkrankung auf Widerruf im Hausarrest verbringen konnte, ist 76 Jahre alt. Der 2016 festgenommene Ghaderi, auch er gesundheitlich angeschlagen, dürfte mit seinen 2709 Tagen in Haft überhaupt der am längsten im Iran festgehaltene EU-Bürger sein.

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Minister Alexander Schallenberg begrüßte die beiden Freigelassenen Massud Mossaheb und Kamran Ghaderi in Wien.
Foto: APA/AFP/BMEIA

Von denen gibt es aber noch ­immer etliche, und es kommen auch neue dazu: Die genaue Zahl zu nennen ist nicht so einfach, denn viele Familien von Betroffenen setzen erst einmal auf stille Diplomatie. So war es auch bei jener Mossahebs, die sich im Juni 2019, also vor genau vier Jahren, zuerst an den STANDARD wandte.

Für Außenminister Alexander Schallenberg fiel die Heimkehr der Österreicher, die er am Flughafen Schwechat abholte, auf den vierten Jahrestag seiner Angelobung 2019. Schön, wenn es zu so einem Jubiläum wirklich etwas zu feiern gibt. "Man fühlt sich nicht vergessen", würdigt Mossaheb die Organisation des Ministeriums und die Empathie der an der Aktion Beteiligten.

Keine Gegenleistung

Schallenberg-Sprecherin Claudia Türtscher betont, dass es keine Art von Gegenleistung vonseiten Österreichs an den Iran gegeben hat. Es ist ein fürchterliches Dilemma für alle Staaten, die Bürger und Bürgerinnen in iranischen Gefängnissen haben, dass sie Teil eines zynischen Spiels des Regimes in Teheran sind. Um etwas für seine Gefangenen tun zu können, muss man mit dem Iran im Gespräch bleiben: Und das ruft nach der gewalttätigen Niederschlagung der feministischen Proteste seit September noch mehr Kritik hervor als früher.

Belgien hatte gar ein vielkritisiertes Gesetz verabschiedet, das die Freilassung eines – zuvor in Wien akkreditierten – iranischen Diplomaten, der für den iranischen Geheimdienst tätig war, erst möglich machte, um einen Staatsbürger freizubekommen. Der Iraner, Assadollah Assadi, saß wegen der Planung eines Attentats auf iranische Oppositionelle im Gefängnis. Er wurde 2018 in Deutschland verhaftet, 2021 in Belgien zu zwanzig Jahren Haft verurteilt – und im Mai 2023 nach Hause geschickt. Dafür wurde ein Belgier freigelassen. Es folgten nun ein Däne und die zwei Österreicher.

Anders als in Belgien, wo man eine rechtliche Grundlage braucht, lässt der Iran Gefangene frei oder eben nicht. Vielleicht wird ja noch eine Begnadigung aus "humanitären Gründen" für die wegen Spionage Verurteilten nachgeliefert. Die Vorwürfe gegen sie waren hanebüchen, die Prozesse genügten keinen rechtsstaatlichen Kriterien. Die österreichische Staatsbürgerschaft von Mossaheb und Ghaderi ist im Iran nicht anerkannt: Dort ist Iraner, wer einen iranischen Pass hat. Das sollten alle Iraner und Iranerinnen in der Diaspora bedenken, die auf konsularischen Schutz hoffen, wenn sie in den Iran fahren. Ein iranisch-schwedischer Katastrophenmediziner, Ahmedreza Jalali, sitzt sogar mit bestätigtem Todesurteil im Iran im Gefängnis.

Gefährliche Reisen

Ghaderi und Mossaheb hielten sich beide aus geschäftlichen Gründen im Iran auf. Mossaheb war ­jahrelang Generalsekretär der Öster­reichisch-Iranischen Gesellschaft (die übrigens aus dem Internet verschwunden ist). Es erwischt aber auch westliche Staatsbürger und -bürgerinnen ohne iranische Wurzeln. Gefährdet ist zum Beispiel, wer zum Iran forscht.

Außer Belgien, das sich für die Österreicher einsetzte, spielte auch noch das Sultanat Oman eine Rolle – und nicht nur jene, dass eine Privatmaschine von Sultan Haitham bin Tariq Al Said die drei Freigelassenen aus Teheran ausflog. Zwischen Benachrichtigung und Abflug lagen nur ein paar Stunden. Von Maskat ging es nach Brüssel, dann nach Wien. Hai­tham führt die Vermittlungs­diplomatie des 2020 verstorbenen Sultan Qabus weiter: Wie viele Geiseln schon mit omanischer Hilfe wieder freikamen – etwa auch aus dem Jemen –, ist legendär.

Kanal für die Verständigung

Dass Österreich 2019 in Maskat nach längerer Absenz wieder eine Botschaft eröffnet hat, dürfte auch geholfen haben. Sultan Haitham absolvierte vor wenigen Tagen seine erste Visite in Teheran und brachte dabei auch die Anliegen der Europäer mit. Für den schwierigen Normalisierungsprozess, der soeben zwischen Teheran und den arabischen Golfstaaten stattfindet, war der omanische Besuch wichtig. Der Oman dient auch immer wieder als Kanal für die Verständigung zwischen den USA und dem Iran, etwa auch im Atomkonflikt.

Generell ist die Kommunikation mit Teheran in der letzten Zeit noch schwieriger geworden. Es sind durch den starken Einfluss der Revolutionsgarden Kräfte am Ruder, die durchaus auch mit Vorstellungen des iranischen Außenministeriums im Konflikt stehen können. Das wird nun verschärft durch unterschiedliche Positionen im Regime, wie mit der Protestwelle umzugehen sei. Umso größer ist der Erfolg, Mossaheb und Ghaderi gerade jetzt herausgebracht zu haben. (Gudrun Harrer, 4.6.2023)