Horrorfilm
Oh Schreck! Den einen machen Horrorfilme Angst, den anderen schon ein Nasenpiercing.
Getty Images/iStockphoto

Pro

Das letzte Mal, als ich jemanden erschreckte, da penetrierte Stahl menschliches Fleisch. Kurz tat es furchtbar weh, doch vor lauter Vorfreude nahm ich den Schmerz einfach hin. Ich hatte ihn schließlich selbst gewählt.

Keine Sorge, ich beschreibe keine wilde BDSM-Erfahrung und habe auch niemanden brutal ermordet. Ich hatte mir lediglich ein Nasenpiercing stechen lassen.

Meiner Mutter schmeckte das gar nicht: Als ich sie bald darauf besuchte, löste das Stückchen Metall in ihr allerlei Untergangsfantasien aus. Oh Schreck, stand der soziale Niedergang ihrer Tochter bevor?

Jahre später war das für uns beide eine Lehre. Für sie, die stets besorgte Mama: Ich habe immer noch einen Job. Für mich, Hasserin des Horrorgenres: Erschrecken kann viel mehr sein als unnötiger Stress.

Vorbei mit dem Schrecken ist es aber nicht. Das Piercing löst nun auch in mir allerlei Ängste aus. Nämlich immer dann, wenn mein einjähriger Neffe – eigentlich ein verkleideter Ninja – neugierig nach meiner Nase greift. Na ja. Horrorfilme mag ich immer noch nicht. (Muzayen Al-Youssef)

Kontra

Mein kleiner Bruder nannte mich ehrfurchtsvoll "Tiger", was mir sehr schmeichelte. Tatsächlich war ich aber ein ängstliches Kind. Als ich mich bei einer sehr spannenden Fernsehübertragung des Kasperletheaters hinter der Couch versteckt hatte, fragte mich mein Bruder voller Anteilnahme: "Hast Angst, Tiger?" Ja, verdammt, ich erschrecke leicht. Und ich fürchte mich, auch heute noch.

Andere Leute zu erschrecken ist rücksichtslos, und man kann nie wissen, wie sehr diese Menschen in einer Extremsituation aus der Fassung geraten. Da macht sich einer vor Schreck vielleicht in die Hose, eine andere wird ausfällig oder sogar handgreiflich – oder nimmt im schlimmsten Fall gesundheitlichen Schaden.

Und ganz ehrlich: Bei allem Verständnis für juvenile Späße, solche Rückfälle in infantiles Verhalten sind zu hundert Prozent auf der peinlichen Seite zu Hause.

Sich am Missgeschick anderer Menschen aufzurichten ist zudem ein Manifest moralischer Kleinheit. Mit dem Schrecken und der Angst seiner Mitmenschen treibt man keine Späße. Sagt der Tiger. (Michael Völker, RONDO Exklusiv, 6.6.2023)

Pro & Kontra ist eine in der STANDARD-Beilage "RONDO Exklusiv" erscheinende Rubrik, die auf humoristische Weise Themen aus dem Alltag diskutiert.