Sum 41 erwiesen sich als erster massentauglicher Headliner. Die kanadischen Pop-Punks als Party-Bringer.
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Bei Powerwolf kamen einem die Melvins in den Sinn, ausgerechnet. Wohl deshalb, weil sie kommenden Dienstag in der Wiener Arena auftreten. Während Powerwolf am Donnerstagabend zu Kirchenglockengeläut mit Kutten und Fackeln die Bühne betraten, drängten sich die Melvins auf. Die geben eher wenig auf ihr Äußeres. Der Gitarrist trug früher gerne ausgebeulte Gummizughosen aus der Wühlkiste des Textildiskonters, weil gemütlich. Mit Mustern, die selbst Erbrochenes noch zu 95 Prozent camouflagierten. Sagt man das so?

Und der Schlagzeuger kam im String-Tanga auf die Bühne. Außer dem Schnürl im Popo trug er nur noch Handschuhe, fertig. Andererseits verarschten die Melvins später den Hang mancher Metal-Bands zum Mittelalter, indem sie sich Rüstungen aus Pappendeckel, Stanniolpapier und Gaffa bastelten und überzogen, so wie der Leon aus der Gruppe 4 im Kindergarten. 

Buntes Volk

Powerwolf machen damit Ernst. Schon 2019 waren sie am Nova Rock, angetan, als kämen sie gerade von Fingernägelziehen aus dem Folterkeller. Das Festival ist da manchmal wie der Song Contest. Stets wiederkehrend und total bunt in den durch Waschungen erzielten Schattierungen der überwiegend schwarzen Band-T-Shirts. Dutzende Acts ziehen an vier Tagen an einem vorbei, das Vergessen setzt, wie beim Song Contest, nahezu sofort ein. Austauschbar, wunderbar.

Powerwolf sind korrekte Deutsche mit höflichen Zwischenansagen. Sie haben seit ihrer letzten Vorstellung am Nova mehrere Alben veröffentlicht – beim heimischen Label Napalm Records. Das jüngste heißt "Interludium", darauf sind Songs wie "Altars on Fire" oder "Living On a Nightmare". "On"? "In a Nightmare" wäre vielleicht englischer, aber wer weiß, was an der Streckbank gelehrt wird. Ihr Auftritt? Schwermütiger Metal, fast schon schlageresk im Pathos, überzeichnet wie ein Schauspiel im Gemäuer einer namenlosen Ruine. Hauptsache Knüppel.

Gatsch gab es noch, hier ein Bild vom ersten Tag, das Wetter hielt aber.
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Übers Wetter wurde noch nichts gesagt, das zweitwichtigste Thema am Festival. Das Gesetz des Himmels lautet Gatsch oder Staub. Staub ist tendenziell besser, bedeutet aber immer Wind. Man ist ja im Burgenland, wo ein Hasenohr als Erhöhung gilt und jeder Maulwurfshügel in der Reliefkarte des Landes erfasst wird. Das Wetter hielt, was dem Boden Zeit zur Erholung gab, das Schuhwerk des Tages war aber immer noch aus Gummi. 

Als erster Headliner erwies sich die Pop-Punk-Band Sum 41. Kanadier und in Auflösung begriffen, die die Massen vor der Bühne versammelten. 50.000 sind am Nova. Die Stimmung kippte schnell auf Party, selbst in sich ruhende Alkleichen feierten Auferstehung, als die Band das Riff von "Smoke on the Water" anriss, dann "Seven Nation Army" und schließlich eine Speedversion von "We Will Rock You" von Queen spielte. Ein Hochamt einfacher Vergnügungen.

Auf der zweiten Großbühne gaben die Schweden von Meshuggah das Kontrastprogramm. Fünf Herren in Schwarz, die mit metallischer Präzision durch den Schlamm ackerten. Experimentell im Vergleich zur Konkurrenz. Meuchelgesang, alles ist immer ur arg, was sich publikumsseitig in einer gewissen Nachdenklichkeit niederschlug. Wie tanzt man Weltekel? Dabei war das Partymusik, denn Sänger Jens Kidman offenbarte, dass er Geburtstag habe: "Twentyseven", sagte er, verzählte sich aber um 30 Jahre. Verständlich, bei der Lautstärke.

Der Brite Yungblud setzte dann drüben die Party fort. Der ist 25 und eine Art Harry Styles auf Fun-Punk. Rosa Stutzen und das Bekenntnis "I'm a Low Life" auf der Hose, gab er sich professionell "in Love" mit "Austria". Mutig auch, dass er sich mit einer Akustikgitarre auf die Bühne stellte.

Yungblud live.
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Heiter weiter: Die aus den rüstigen US-Schauspielern Jack Black und Kyle Gass bestehende Band Tenacious D pennälerte sich durch Anspielungen an Indiana Jones durch ihr Programm. Bedingt originell, aber natürlich partytauglich, wenn der Körper noch mitmachte, zumindest auf der Bühne stimmte der Einsatz, im Publikum zeigten sich erste Schwächen. Wo ist das Zelt, wo die Mutti?

Kyle Gass und Jack Black von Tenacious D beim Nova Rock.
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Partymäßig forderten The Prodigy dann noch einmal. Der britische Act aus den Hochzeiten des Big Beat in den 1990er-Jahren macht seit dem Tod seines tanzenden Sängers Keith Flint vor vier Jahren ohne diesen weiter, projizierte ihn jedoch beim Hit "Firestarter" auf die Bühne. Seinen Job erledigt jetzt der andere Keith, nämlich Keith Andrew Palme alias Maxim. Stroboskop, Rave-Stimmung, Hits wie "Smack My Bitch Up", Jubel und fette Beats. Aus die Maus, wo geht's nach Haus? (Karl Fluch, 9.6.2023)