An den vorgesehenen Fallkonferenzen sollen alle Personengruppen teilnehmen, die mit der Betreuung im Vollzug befasst sind und von einer etwaigen Entlassung betroffen wären.
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Wien – Nach der Kritik an der Reform des Maßnahmenvollzugs soll es nun Nachschärfungen im Jugendgerichtsgesetz (JGG) geben, wie das Justizministerium am Dienstag informierte. Damit werde auf die von den Ländern und Gesundheitseinrichtungen geäußerten Bedenken eingegangen. Nicht schuldfähige jugendliche Straftäter, die keine Kapitalverbrechen begangen haben, wären sonst nach der Reform aufgrund der geänderten Unterbringungsvoraussetzungen gerichtlich zu entlassen gewesen.

In Zukunft sind für diese Personen aber bis zum Jahresende verpflichtende Fallkonferenzen vorgesehen, erst dann können sie unter den allgemeinen Voraussetzungen vom Gericht bedingt entlassen werden. In diesen Fallkonferenzen sollen alle mit der Betreuung im Vollzug befassten und von einer etwaigen Entlassung betroffenen Personengruppen teilnehmen. Dazu zählen etwa behandelnde Psychiaterinnen und Psychiater sowie Psychologinnen und Psychologen, Vertreter der Bewährungshilfe und der Nachbetreuungs- und Gesundheitseinrichtungen der betroffenen Bundesländer sowie auf Wunsch die untergebrachte Person und sofern möglich auch deren Angehörige. Sie sollen gemeinsam abklären, wie die Bedingungen insbesondere in Bezug auf die Nachbetreuung aussehen müssen, um für eine Entlassung nötige Voraussetzungen zu schaffen und Rückfälle bestmöglich zu verhindern.

Dabei soll auch ein Plan für die weitere, auf die individuellen Bedürfnisse des Untergebrachten abgestimmte Betreuung und Therapie in der Unterbringung sowie für die nächsten möglichen Vollzugslockerungen erarbeitet werden. Die bedingte Entlassung muss weiterhin durch ein Gericht angeordnet werden. Dabei werden in der Regel Weisungen, etwa zur Fortsetzung der Therapie, erteilt.

Fallkonferenzen spätestens nach zehn Jahren

Für Jugendliche, die sehr lange im Maßnahmenvollzug untergebracht sind, soll es spätestens nach zehn Jahren – und dann zumindest alle drei Jahre – Fallkonferenzen geben, um abzuklären, welche individuellen Voraussetzungen es braucht, um speziell in diesen Einzelfällen eine bedingte Entlassung durchführen zu können, und in Folge gemeinsam darauf hinarbeiten zu können. Eine allgemeine Höchstfrist ist demnach nicht mehr vorgesehen.

Bei den nun durchgeführten Anpassungen wurden auch Formulierungen bereinigt. Das betrifft insbesondere die Klarstellung, dass auch im Hauptverfahren anstelle eines kinder- und jugendpsychiatrischen Sachverständigen ersatzweise auch ein Sachverständiger der klinischen Psychologie des Kinder- und Jugendalters beigezogen werden kann.

"Bei der ersten großen Reform des Maßnahmenvollzugs seit einem halben Jahrhundert handelt es sich um eine sehr wichtige und auch längst überfällige Reform in einem sensiblen Bereich. Gerade hier ist es wichtig, für konstruktive Vorschläge offen zu bleiben und, wo nötig, auch Anpassungen und Präzisierungen durchzuführen. Das tun wir jetzt", sagte Justizministerin Alma Zadić (Grüne). "Mit diesen Nachschärfungen gehen wir auf die während der dafür vorgesehenen Übergangszeit geäußerten Bedenken ein und stellen sicher, dass es je nach Einzelfall zur bestmöglichen individuellen Entscheidung kommt." (APA, 6.6.2023)