Andreas Babler bei einer Pressekonferenz nach der Neuauszählung der Stimmen vom SPÖ-Parteitag im Parlament.
"Die Zukunft schreiben wir selbst", sagt Andreas Babler bei seiner Anrtittsrede.
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Andreas Babler nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas Wasser. Dann tippte er mit seinem Finger auf das Mikrofon, das vor ihm auf dem Rednerpult platziert war, um dessen Funktion zu testen. Zuvor wurde die Leinwand im Medienraum des SPÖ-Parlamentsklubs von Blau auf Rot gedreht. "Sie können sich vorstellen, was gestern passiert ist, hat mich genauso überrascht wie Sie", begann Babler seine erste Rede als neuer Parteichef. "Das war ein Fehler, der die Sozialdemokratie beschämt hat – dafür möchte ich mich entschuldigen." Dieses Versagen dürfe sich nicht mehr wiederholen.

VIDEO: Babler meldet sich nach Bestätigung seiner Wahl bei Pressekonferenz zu Wort.
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Tags zuvor stand Babler noch an der gleichen Stelle und traute der Sache nicht. Da war gerade der Excel-Schlamassel rund um die rote Kampfabstimmung beim Sonderparteitag am Samstag in Linz bekannt geworden. Nun hatte Babler Gewissheit. Die Mehrheit der roten Delegierten hatte in Wahrheit Babler zum 13. Vorsitzenden der SPÖ gewählt und nicht seinen Kontrahenten aus dem Burgenland, Hans Peter Doskozil. Babler erklärte, die "große Verantwortung" trotz des jüngsten Tiefpunkts nun annehmen zu wollen.

Oder gerade deshalb. Babler sah sich bestärkt darin, transparente Regeln in der SPÖ einzuführen, sie mit "Demokratie zu durchfluten, durchzulüften". Soll heißen, dass er die roten Statuten dahingehend abändern möchte, dass die Mitglieder auch künftig über die Parteiführung bestimmen können sollen. Er wolle der Partei wieder Stolz und Würde zurückgeben. Die vergangenen Tage hätten gezeigt, dass das "bitter notwendig" sei.

Tour durch alle Bezirke

Und damit ließ Babler die chaotische Vorsitzwahl auch schon hinter sich, versuchte es mit politischen Akzenten. Der Traiskirchener Bürgermeister sprach die hunderten Kündigungen bei Kika/Leiner an, monierte, dass die Möbelkette von "Kurz-Freund" René Benko mit den Existenzen vieler Menschen "brutal spielt", während im Gegenzug Profite abgesichert würden. "Für mich und die SPÖ sind nicht die Menschen das Problem, sondern die Bedingungen, unter denen die Menschen leben müssen", gab sich Babler kämpferisch. Er sei angetreten, damit niemand mehr eine schlaflose Nacht habe, wenn es darum gehe, "ob ich die nächste Stromrechnung noch bezahlen kann, ob ich einen fachärztlichen Termin bekomme oder wie ich dem Kind erkläre, dass es nicht auf Skikurs mitfahren kann".

Babler ortet eine "Sehnsucht" nach einer Politik mit authentischer Sprache und klarer Programmatik, "die sich vor nichts und niemandem fürchtet und sich nicht mit sich selbst beschäftigt". Die SPÖ liege nach dem Theater der vergangenen Woche zwar "ziemlich am Boden", sagte Babler. Aber: "Die Zukunft schreiben wir selbst."

Der Neo-Parteichef will in den nächsten Monaten dafür nicht nur durch alle Bezirke des Landes touren, sondern auch einen Einigungsprozess auf einem Parteitag im Herbst starten. Wen Babler in sein Team holt, verriet er noch nicht. Es soll aber mit Personen bestückt werden aus egal welchem roten Lager. Auch seinen geschlagenen Kontrahenten Doskozil will Babler angerufen haben: "Aber er hat nicht zurückgerufen." Am Mittwoch will Babler eine interimistische Leitung für die Parteizentrale in der Löwelstraße installieren. Namen nannte er in der "ZIB2" keinen, diesen sollen zuerst die Mitarbeiter erfahren.

In den Stunden vor Bablers Rede wurden die Stimmen der Delegierten in der Wiener Löwelstraße, der roten Parteizentrale, noch einmal eifrig nachgezählt. Babler wollte nach dem Stimmenmurks der Wahlkommission absolute Gewissheit über das Ergebnis. Im Laufe des Dienstags ging es in den Gremien noch turbulent zu. Nach dem Rücktritt der Steirerin Michaela Grubesa bekam die Kommission mit der Gewerkschafterin Klaudia Frieben eine neue Vorsitzende.

Kurzum bestätigte die Kommission Babler mit rund 53 Prozent als Wahlsieger, Doskozil erhielt 47 Prozent. Betrügerische Absichten schloss Frieben aus. Das Geschehene behält aber einen merkwürdigen Beigeschmack.

So waren beim Parteitag zwar 19 Mitglieder der Kommission anwesend, aber nur eine Person hatte einen Überblick. Nämlich die, von der die Ergebnisse in ein Excel-Sheet eingetragen wurden. Wie es sein kann, dass nicht nur eine, sondern zwei Stimmen aufgetaucht waren, beantwortete Frieben so: Die Stimmen seien immer da gewesen. Darüber hinaus dürften Mitarbeiter in der Parteizentrale am Montag "von sich aus begonnen" haben, die Stimmen nach Doskozils vermeintlichem Sieg nachzuzählen. Ein SPÖ-Sprecher korrigierte aber später, dass die Mitarbeiter im Auftrag Grubesas gehandelt hätten.

Nationalratsabgeordnete Julia Herr sprach im ORF-"Report" über die anstehenden Pläne von Team-Babler.
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Herr: "Das pickt jetzt"

Geschlossenheit als Devise gaben am Dienstagabend in der ORF-Sendung "Report" Umweltsprecherin und Babler-Unterstützerin Julia Herr sowie Sozialsprecher und Bau-Holz-Gewerkschafter Josef Muchitsch aus. Vorsitzwahl und Parteitag seien "statutenkonform" abgelaufen, das Ergebnis wurde mit einem Notar nachgezählt und "pickt jetzt", so Herr. Nun gelte es, das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen.

Auch Muchitsch verwies darauf, dass das Ergebnis zu akzeptieren sei. Am Ende des Parteitages sei die Geschlossenheit "klar" zu erkennen gewesen. "Ich gehe davon aus, dass es auch jetzt so sein wird." (Jan Michael Marchart, red, APA, 6.6.2023)

Der designierte Chef der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter, Josef Muchitsch, sprach im "Report"-Interview über die Auszählungsfehler bei der SPÖ-Vorsitzwahl.
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