Neos wollen Regierung von Mercosur-Ablehnung
Umweltschutz-Nichtregierungsorganisationen wie etwa Greenpeace oder Global 2000 sind vehement gegen das Abkommen.
APA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD

Wien/Brüssel/Montevideo – Die Neos sind die einzige Partei, die voll hinter dem EU-Mercosur-Freihandelsabkommen stehen. Österreichs Regierung ist im EU-Rat etwa durch einen Beschluss im EU-Unterausschuss im Nationalrat 2019 zu einem Nein zum Pakt verpflichtet. Die Pinken wollen nun die Regierung von der Ablehnung "entbinden", teilten sie am Mittwoch mit. Österreich ignoriere Nachverhandlungen im Sinne von Sozialklauseln und Umweltregeln und stelle sich so international ins Abseits.

Als Begründung für die österreichische Ablehnung werden konkret zwei Entschlüsse aus dem Jahr 2019 herangezogen, so die Neos. Sie stellen daher im heutigen EU-Unterausschuss einen Antrag, der dazu dient, diese Beschlüsse zu Mercosur zu aktualisieren und den zuständigen Mitgliedern der Bundesregierung und insbesondere Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) "damit die Möglichkeit zu eröffnen, sich konstruktiv an den Verhandlungen gemeinsam mit den europäischen Partnerstaaten zu beteiligen".

Nachverhandlungen gefordert

"Die österreichische Bundesregierung muss sich an neuen, in den Nachverhandlungen modifizierten Bestimmungen orientieren, wenn sie das Mercosur-Abkommen evaluiert", fordert Neos-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker. "Diese werden gegenwärtig erarbeitet, stehen also noch nicht zur finalen Bewertung zur Verfügung. Eine A-priori-Ablehnung kann nicht im nationalen Interesse sein, weil die Abwägungen der österreichischen Interessen erst bei Vorliegen des finalen Textes vorgenommen werden können." Eine Ablehnung des Mercosur-Abkommens noch vor der Ausarbeitung der Nachverhandlungen schade Österreichs Wirtschaft, ohne Vorteile für Klima, Umwelt oder Sozialstandards mit sich zu bringen. "Die sture Haltung der österreichischen Bundesregierung verhindert kein schlechtes Abkommen, sondern die Möglichkeit, ein besseres zu erarbeiten."

Eine Mehrheit für den Neos-Antrag scheint wenig realistisch. Die Grünen sind gegen den Pakt. In der ÖVP gibt es zwei Strömungen: die Mercosur-freundliche des Wirtschaftsbundes und die ablehnende Haltung des Bauernbundes. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) erteilte dem möglichen EU-Mercosur-Handelspakt mehrfach eine Absage und verwies dabei aufs Regierungsprogramm. ÖVP-Wirtschaftsminister Kocher verwies zuletzt auf Beratungen zwischen EU-Kommission und Mercosur-Staaten. Erst wenn etwaige Verhandlungen abgeschlossen seien, "kann das finale Abkommen von Österreich bewertet werden", so Kocher zuletzt zum Thema Mercosur-Pakt.

SPÖ, ÖVP und Grüne gegen das Abkommen

Die großen Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ sprachen sich stets gegen den Pakt aus. Die Mercosur-Staaten sind Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB) sind wie (Umweltschutz-)Nichtregierungsorganisationen (Greenpeace, Global 2000, Attac, Anders Handeln ...) vehement gegen das Abkommen. Auch die heimischen Handelsketten sind großteils gegen das Abkommen.

Die Grünen lehnen das Mercosur-Abkommen ebenfalls ab. "Das EU-Freihandelsabkommen Mercosur fördert die europäische Autoindustrie und die industrielle Landwirtschaft in Südamerika, inklusive Brandrodung des Amazonas-Regenwaldes. In Summe ist es das klimaschädlichste Abkommen, das derzeit verhandelt wird. Deshalb bleibt die Ablehnung aufrecht, bis diese Probleme gelöst werden", bekräftigt Michel Reimon, Europasprecher der Grünen, laut Aussendung die Absage seiner Partei.

WKÖ und IV für Mercosur

Die Wirtschaftskammer (WKÖ), die vom ÖVP-Wirtschaftsbund beherrscht wird, ist hingegen dafür. Das gilt auch für die Industriellenvereinigung (IV), die zuletzt Hoffnungen in den EU-Ratsvorsitz Spaniens legte. Denn die viertgrößte EU-Volkswirtschaft hat traditionell große Nähe zu Südamerika und ist für den Pakt.

Laut Loackers Antrag sichert der Handel mit den Mercosur-Staaten derzeit 32.000 Jobs in 1.400 heimischen Firmen. "Der Abschluss des Abkommens wird eine geschätzte Steigerung europäischer Exporte um 68 Prozent mit sich bringen." Die Steigerung in Österreich könne noch höher ausfallen, so der Oppositionspolitiker. Er warnt vor einer weiteren Verschiebung des Welthandels Richtung China, wenn die EU das Abkommen nicht abschließt. Dass die heimischen Bauern vor Rindfleischimporten aus dem Mercosur-Raum geschützt werden müssen, glaubt der liberale Oppositionspolitiker hingegen nicht. (APA, 7.6.2023)