Im Buch "Nur zwei alte Männer" landet ein Raumschiff auf der Erde - mitten in Wien.
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Dass es sich im neuen Roman von Thomas Sautner um "Nur zwei alte Männer" handelt, so nämlich lautet der Titel, ist eine Fehlannahme. Es geht um mehr, wenn nicht um unglaublich viel mehr. Aber bleiben wir zunächst bei den beiden alten Männern. Der ehemalige Starfotograf Joseph Wasserstein und der wahrscheinlich nie offiziell in Pension gegangene Tänzer Hakim Elvedin sind Nachbarn. Ein bisschen muss man bei anfänglicher Lektüre ihrer Dialoge an die berühmt gewordenen "Grumpy Old Men" denken, im gleichnamigen Film von Walter Matthau und Jack Lemmon verkörpert, die übrigens auch Nachbarn sind. Bei Sautners Romankombo handelt es sich aber, obwohl beide am Rand von Wien offensichtlich privilegiert in Villen leben, nur um einen alten, weißen Mann, den anderen schimpft der waschechte Wiener Wasserstein im verbalen Schlagaustausch auch gern einmal "Arrrabba!". Zurück schallt dann "Weana!".

Thomas Sautner, "Nur zwei alte Männer". € 22,– / 176 Seiten. Picus-Verlag, 2023.
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Das Werk des Erzeugers

Es ist kein rassistisches gegenseitiges Beschimpfen, eher ein verärgert liebevolles, aber in der Beziehungsdynamik der beiden wird schnell klar, dass der mit dem Altsein und Älterwerden hadernde Wasserstein sein Glas am Lebensabend stets halbleer und sein ursprünglich aus Damaskus stammender, unverbesserlich optimistischer Habibi Hakim dasselbe nicht bloß halbvoll, sondern ganz voll sieht. Bewegung in die fast klischeehaft eingespielt wirkende Dynamik zwischen den beiden bringt Julia, eine zumindest im Gegensatz zu den betagten Herren junge Frau. Sie ist Anfang fünfzig und auf der Suche nach Kontakt zu ihrem leiblichen Vater. Richtig geraten: Joseph Wasserstein. Die drei verbringen folglich viel gemeinsame Zeit im Garten von Wasserstein, Julias Recherchearbeit über das fotokünstlerische Werk ihres wahrscheinlichen Erzeugers gibt dazu das Alibi.

Inmitten dieser Geschichte von zwei alten Männern und einer Vater-Tochter-Annäherung landet in der Mitte des Romans tatsächlich ein Raumschiff, und Sautner führt die außerirdische, göttliche Wesenheit Malina, der Name taucht auch in vorangegangenen Romanen des Autors immer wieder prominent auf, als sozusagen vierte Protagonistin ein. Ganz Wien und auch der Rest der Welt staunt gebannt ob des außerirdischen Lebens und wartet gespannt auf die täglichen Weisheiten der Raumschiffgottheit und auf den sich daraufhin ergebenden Deutungsstreit, etwa über "Ihr seid unsere Kinder". Auch das Dreigespann im Wasserstein-Garten. Ab da sind die Fragen nach der eigenen Herkunft oder dem eigenen Ende vergleichsweise nichtig geworden, geht es um nicht weniger als die Rettung der Welt, die, falls man Sautners Werk bis zum Ende richtig liest, auch gelingen wird. Aber das nur nebenbei.

So überirdisch freischwebend der Plot von Nur zwei alte Männer auch sein mag, sprachlich formuliert der Autor allzu viel aus. Thomas Sautner lässt in seiner fantastischen Romanerzählung bis in den Epilog hinein keinerlei Auslassungen und Freiräume zu. So entsteht im Kopf beim Lesen zwischen den Worten, handelnden Menschen und der Wesenheit leider kein raumgreifendes Romanuniversum, sondern nur das Storyboard für einen Vatertagsfilm. (Mia Eidlhuber, 10.6.2023)