Christa Nebenführ ist die Tochter eines cholerischen, narzisstischen Vaters.
Dominik Hillisch

Sieh endlich ein, dass du kein Talent hast! Wann tust du endlich was gegen deine Wimmerln? Dieser Anblick ist ja ekelhaft! Warum hast du die Knödel so lange im Wasser gelassen? Dem Vater kann man es nicht recht machen. Egal, was man sagt oder macht, egal, ob etwas teuer oder billig ist, es ist immer zu teuer, das Geschenk, das man bekommen hat, ist kaputt, ein Rollator ist eine "Hinfallhilfe", wie er beim ersten Anblick gleich erkannt hat. So geht es tagein, tagaus.

"Letztlich sind alle Idioten"

Der Vater brüllt, schmeißt mit Tellern, knallt die Türen zu, und letztlich sind alle Idioten, die gegen ihn sind. Christa Nebenführs Buch ist wohl als ein Buch über einen querulatorischen, besserwisserischen, rechthaberischen, ewig gereizten Vater intendiert. Aber das ist es nicht. Es erzählt eine tragische Familiengeschichte anhand von Interaktionen zwischen Vater, Mutter und Tochter, wobei die Interaktion der Tochter mit dem Vater und der Tochter mit der Mutter im Vordergrund steht. Die Tochter, die mit der Autorin identisch ist, wird regelrecht von den Eltern erdrückt. Die Mutter leidet nicht nur unter dem Ehemann, sondern auch an einer bipolaren Störung, mit der sie die Familie in Atem hält. Ihre Erkrankung zieht immer wieder Aufenthalte auf der Psychiatrie und der Baumgartner Höhe nach sich. Nach zwei Selbstmordversuchen gelingt ihr schließlich der dritte im Alter von 70 Jahren.

Der Vater ist Studienabbrecher, wechselt ständig den Job, möglicherweise wegen seiner Streitsucht, schließlich ist er nach seinem zweiten Herzinfarkt Frühpensionist. Die Mutter arbeitet halbtags als Buchhalterin. Sie hat einen Ordnungs- und Sauberkeitsfimmel, sonst aber keine Kraft, eine eigene Meinung zu haben. Eine ständige Wendung: Der Vati hat gesagt. Wie sie dann bei Frau Dr. Klaus in Therapie ist, heißt es: Die Klaus hat gesagt. Klar erkennt sie den unerträglichen Charakter ihres Mannes, schafft es aber nicht, sich von ihm zu trennen, wohl teils aus kleinbürgerlicher Konvention, teils aber auch, weil sie ihn braucht, so wie auch er sie braucht. Ein Ehepaar, das im Hass aneinandergekettet ist.

Bündnis gegen den Vater

Aber zumindest der Vater meint, dass sie eine gute Ehe führen. Dass die Frau psychisch krank ist, ist Schicksal. Die Mutter scheint sich der Verleugnung der unerträglichen Situation bewusst zu sein: weil es nicht wahr sein soll. Sie sagt das allerdings nicht auf ihre eigene Problematik hin, sondern auf eine Geschichte, in der eine Mutter die Kinder mit dem Vater allein lässt, obwohl er die Kinder missbraucht. Dieses Verständnis hat sie wohl aus ihren eigenen Lebensverhältnissen gewonnen. Sie zieht die Tochter in ihre Probleme hinein, gesteht ihr, dass sie ihren Mann hasst, sie aber nicht von ihm loskommt.

Mutter und Tochter schließen eine Art Bündnis gegen den Vater, der das trotz oder vielleicht gerade wegen seines Narzissmus spürt und sich beleidigt darüber beschwert, dass er nicht willkommen ist. Aber dass die ganze Familie Angst vor ihm hat und sich von ihm gequält fühlt, erfasst er nicht. Die Tochter fühlt sich ständig für alle verantwortlich. Insbesondere nach dem Selbstmordversuch der Mutter, als sich diese vor einen Lastwagen warf. Letztlich ist sie von den Eltern in eine Art Mutterrolle für die Eltern gedrängt worden. Eine unerträgliche Überforderung. Schließlich sucht sie einen Therapeuten auf und versucht mit Vater und Mutter über die verkorkste Familiensituation zu sprechen. Natürlich erfolglos.

Zermürbende Telefonate mit dem Vater, mit Vater und Mutter, mit der Mutter, die ständige Angst, dass sich die Mutter tatsächlich umbringt, führen bei der Tochter zu schweren Depressionen, die sie zeitweise arbeitsunfähig machen. Versuche, sich zurückzuziehen und ein eigenes Leben zu führen, scheitern. Eindringlich und ergreifend schildert Nebenführ ihre kaum auszuhaltenden Zustände: "Dieses Bibbern, von dem ich herausgefunden hatte, dass es nicht direkt im Magen, sondern eher in Magenumgebung mit der Tendenz, sich nach oben auszubreiten, sein Zentrum hatte, wurde manchmal auch von einem so genannten Albdrücken begleitet … Es war so ähnlich, als hätte man einen Waldviertler Knödel verschluckt und er wäre genau in Herzhöhe stecken geblieben. (...) Ich hätte mir gewünscht, dass ich irgendwie mit den Augen rollen, einen epileptischen Anfall bekommen oder wirres Zeug reden könnte, damit die anderen begriffen, wie es um mich stand."

Christa Nebenführ, "Den König spielen die anderen". € 24,– / 234 Seiten. Klever-Verlag, 2023.
Verlag

Fünf Herzinfarkte, neun Jahre

Im Laufe der Jahre erkennt die Mutter, dass sie nur durch Selbstmord von ihrem Mann loskommt. Nach einem Versuch hat sie in einem Abschiedsgekrakel geschrieben, dass sie sich umbringt, weil sie mit ihrem Mann nicht mehr leben will. Den Brief hat die Tochter auf Mutters Bitte vernichtet. Zu guter Letzt hat auch ihr Mann den Grund ihres Selbstmordes begriffen. Verleugnung ist ein Mittel, unerträgliche Situationen als ganz normal erscheinen zu lassen. Es sind Situationen, die man aus Angst, aus Scham, aus Schuldgefühl oder sonst einem Gefühl nicht imstande ist zu ändern.

Der Vater lebt nach dem Tod der Mutter trotz fünf Herzinfarkten noch neun Jahre. Das Buch endet mit einer Art Versöhnung mit dem Vater am Sterbebett, von dem die Tochter nicht weicht, bis es zu Ende ist. Natürlich ist es keine richtige Versöhnung und schon gar kein Verzeihen. Nach dem Begräbnis des Vaters bekommt sie einen Brief von einer Frau, die schreibt, dass sie die schönen und fröhlichen Stunden mit ihrem Vater niemals vergessen würde. Sie antwortet: Und ich die Angst, die ich ein Leben lang vor ihm hatte, auch nicht!

Christa Nebenführ schreibt über ihr Buch: Vielleicht ist es ein Lokalaugenschein. Was immer für einem Genre das Buch zugeordnet werden kann, es ist Literatur, manchmal auch poetisch, und dies sind nicht nur die Gedichte, die den Fluss der Erzählung unterbrechen. Sehr gut gelungen sind sowohl sprachlich als auch emotional die Schilderungen der psychischen Verfassung der Autorin. Die Verzweiflung ist zu spüren. Zeitsprünge und Wiederholungen verstärken die Eindringlichkeit. Ein besonderes Stilmittel ist die Verwendung des Futur exakt. Wer mit Familienproblemen kämpft – und wer tut das nicht –, sollte das Buch lesen, auch wenn er sich manchmal bei der Lektüre von der ewigen Querulatur des Vaters genervt fühlt. (Claudia Erdheim, 11.6.2023)