Als im Februar ein Erdbeben der Stärke 7,8 auf der Richter-Skala den Südosten der Türkei und den Norden Syriens erschütterte, dauerte es nicht lange, bis die internationale Hilfe für die betroffenen Gebiete anlief. Hilfsmittel für Rettungseinsätze, Essen und Güter des täglichen Bedarfs wurden geliefert, Spezialisten machten sich auf den Weg, um bei Bergungen und ersten Wiederaufbauarbeiten zu helfen.

Auch in Mexiko lief eine Spendenkampagne an. Die Regierung bat unter anderem um Sachspenden, die in die Türkei geliefert werden sollten. Das Land kämpft allerdings schon lange mit ausgeprägter Korruption. Die Journalistin Pamela Cerdeira nahm das zum Anlass, um das Spendenprogramm auf die Probe zu stellen. Mit einem einfachen Hilfsmittel – Apples Bluetooth-basierten Airtags-Trackern – entdeckte sie Erstaunliches.

Spenden auf Abwegen

In einem öffentlichen Sammelzentrum für Spenden in Mexiko-Stadt gab Cerdeira einen Sack Reis sowie eine Packung Klopapier ab. Beide hatte sie zuvor zwecks Nachverfolgung mit einem Airtag versehen. Sie sollten dazu dienen, den Weg der Güter nachzuverfolgen. Verantwortlich für das Einsammeln und den Transport der Güter war hier die Regierung selbst.

Abtransportiert wurden beide Spenden auch, wobei sie in zwei separaten Lieferwägen landeten. In der Türkei kamen sie allerdings nie an. Tatsächlich sollten sie nie das Gebiet von Mexiko-Stadt verlassen.

Airtags werden für Stalking missbraucht, dienen aber auch als Werkzeuge für Recherche.
STANDARD/Pichler

Mittels der "Find My"-App machte sich Cerdeira auf die Suche nach dem Toilettenpapier und dem Reis. Das Nahrungsmittel konnte sie bis zu einem Handelslager nachverfolgen, in welches ihr allerdings der Einlass verwehrt wurde. Das WC-Papier konnte sie bis zu einem Markt nachverfolgen und dort mittels der Präzisionssuche der App verifizieren, dass es dort zum Verkauf angeboten wurde.

Ob das Ergebnis repräsentativ für das Spendenprogramm ist, lässt sich freilich nicht sagen. Die Regierung von Präsident Andrés Manuel López Obrador hat auf den Bericht reagiert und eine Untersuchung angekündigt.

Flohmarkt statt Recycling

Es ist nicht das erste Mal, dass Airtags für eine investigative Recherche eingesetzt werden. Für Schlagzeilen sorgte auch eine Untersuchung von Reuters. Im Rahmen einer Spendenkampagne in Singapur versprachen die Regierung und der Chemiekonzern Dow, alte Sportschuhe zur Verwendung als Bodenmaterial auf Spielplätzen und Laufbahnen zu recyclen.

Die Journalisten gaben elf Paar Schuhbekleidung ab, die mit den Trackern bestückt waren. Diese, so der Bericht aus dem Februar, landeten nicht in der Wiederverwertung, sondern auf einem Flohmarkt in Indonesien. (gpi, 12.6.2023)