Frau liegt am Strand und liest ein Buch
Die Haut ist ziemlich nachtragend. Oft kommen die Schäden von ausgiebigen Sonnenbädern erst Jahre später zum Vorschein.
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Manchmal braucht es nicht viel. Dann reichen schon ein paar Sonnenstrahlen, und alles ist ein bisschen besser. Das merken die allermeisten, wenn sich so wie jetzt nach einer langen Regenperiode endlich wieder die Sonne durchkämpft. Der positive Effekt der Sonne auf die Psyche ist unbestritten, und die Vitamin-D-Produktion wird angekurbelt. Es geht uns besser, die Laune steigt. Und: Man wird braun. Oder wie manche es ausdrücken: Man bekommt eine "gsunde Farbe". Denn der Mythos, dass Menschen mit gebräunter Haut besonders gesund sind, hält sich hartnäckig. Ein blasser Teint wird viel häufiger als Zeichen einer Krankheit gedeutet. Dabei ist – zumindest was die Hautgesundheit angeht – genau das Gegenteil der Fall. "Es gibt keine gesunde Bräune", betont Dermatologin Silvia Wessely. "Das Bräunen ist für die Haut schlicht nicht gesund, das kann man sich auch nicht schönreden." Der Bräunungsprozess ist nämlich ein Schutzmechanismus.

Haut kann sich selbst reparieren – aber nicht ewig

Man kann sich das so vorstellen: Bei einem Sonnenbad trifft UV-Licht in Form von UVA- und UVB-Strahlen auf unsere Haut. Die langwelligen UVA-Strahlen dringen in die tiefer liegenden Hautschichten ein und führen dort zu einer Umverteilung der Pigmente. "Das dunkle Pigment wird quasi von den unteren Hautschichten an die Oberfläche geschleust, damit es dort vor weiteren schädigenden Strahlen schützen kann", erklärt die Dermatologin. Gleichzeitig wird durch die kurzwelligere UVB-Strahlung noch mehr Melanin – so heißt das dunkle Farbpigment – gebildet. Die UVA-Strahlung ist also für die schnelle Bräune verantwortlich, die UVB-Strahlung für länger anhaltende Bräune. Das ist auch der Grund, weshalb in einem Solarium der Anteil an UVA-Strahlung deutlich höher ist als in natürlichem Sonnenlicht.

Mit dem Bräunen möchte sich die Haut also vor noch mehr schädigenden UV-Strahlen schützen. Und auch wenn es schon zu einer Schädigung gekommen ist, hat die Haut Werkzeuge. "Sie verfügt über eigene Reparaturmechanismen, die funktionieren eine Zeitlang auch wirklich wunderbar. Aber irgendwann ist dieses Konto aufgebraucht", erklärt Wessely. Mit jedem ausgiebigen Sonnenbad greift die Haut nämlich auf die Ressourcen zum Reparieren zu. Und je mehr UV-Strahlung man ungeschützt abbekommt, desto schneller sind diese Ressourcen erschöpft. "Die Haut kann Zellschäden dann nicht mehr heilen, das Risiko für Hautkrebs steigt", warnt die Dermatologin.

Bräune schützt nicht ausreichend

Viele ziehen aus der Tatsache, dass Bräune ein Schutzmechanismus ist, den Schluss, dass man sich – wenn man einmal genug sonnengebadet und Bräune aufgebaut hat – eh nicht mehr einschmieren muss. Vor allem gegen Ende des Sommers wird das Eincremen deshalb gerne vernachlässigt. Dieser Zugang ist aber nur bedingt berechtigt, betont Wessely. Bräune entspricht nur einem Sonnenschutzfaktor von vier bis sechs. "Die Eigenschutzzeit wird also um das Vier- bis Sechsfache verlängert", erklärt sie. Dunklere Hauttypen seien durch etwas Bräune zwar ein bisschen besser vor einem akuten Sonnenbrand geschützt, aber vor den Langzeitfolgen schützt die Bräune nicht.

Denn die Haut ist ganz schön nachtragend. "Die Sonnenbrände, die man in der Kindheit und Jugend durchgemacht hat, sind ein großer Risikofaktor für die Entstehung von schwarzem Hautkrebs", sagt die Dermatologin. Die kurzwelligen UVB-Strahlen, die den Sonnenbrand verursachen, können nämlich die Struktur der Hautzellen verändern. Zuerst rot, dann braun ist deshalb besonders gefährlich. "Rötung ist ein Alarmzeichen der Haut. Über Rötung zu Bräune kommen ist das Schlechteste, was man der Haut antun kann", betont Wessely.

Und auch die UVA-Strahlung hinterlässt irgendwann irreparable Schäden, die zu weißem Hautkrebs führen können. Außerdem lässt sie die Haut vorzeitig altern, weil sie die Elastizität der Haut beeinträchtigt, Falten sind die Folge. UVA-Strahlen durchdringen übrigens auch feste Materialien wie Glas. Menschen, die beruflich viel Zeit im Auto verbringen, etwa Taxifahrer oder Lkw-Lenkerinnen, haben deshalb nach Jahren häufig auf einer Gesichtshälfte deutlich mehr Falten als auf der anderen.

Sonnencreme als Anti-Aging-Mittel

In der Praxis zieht das Anti-Aging-Argument deutlich besser als das Minimieren des Hautkrebsrisikos, weiß Wessely aus der Praxis: "Das überzeugt die meisten Patientinnen und Patienten von Sonnenschutz. Eine gute Sonnencreme ist das einfachste Mittel gegen Hautalterung." Und die Expertin hat noch ein paar Tipps fürs Sonnenbad: Zwischen 11 und 15 Uhr ist die Sonne üblicherweise am stärksten. Während dieser Mittagshitze sollte man sich besser im Schatten aufhalten. Wenn das nicht möglich ist – und auch zu allen anderen Zeiten –, sollte man für ausreichend Schutz sorgen. "Da spreche ich nicht nur von Sonnencreme. Ich trage gerne UV-Shirts mit 50er-Schutzfaktor, die finde ich sensationell", sagt Wessely. Außerdem rät sie unbedingt zu Kopfbedeckung und Sonnenbrille, denn die UV-Strahlung kann auch am Auge zu irreparablen Schäden führen.

Aus Erfahrung weiß Wessely, dass die allermeisten Menschen tendenziell zu wenig Sonnencreme verwenden. "Ich empfehle daher immer einen höheren Faktor. Wer eigentlich zur 20er-Creme greifen würde, nimmt lieber die 30er. Und wer gerne die 30er verwendet, sollte stattdessen zur 50er wechseln." Und im Fall von Sonnenschutz ist mehr tatsächlich mehr. Um den ganzen Körper ausreichend zu schützen, sind etwa drei Esslöffel voll Creme nötig. Bei Kindern rät die Dermatologin immer zu einem Lichtschutzfaktor 50, weil Kinderhaut noch kaum Eigenschutz hat. Und: "Gründlich schmieren. Auch auf den Ohrlapperln, in den Kniekehlen, Sie wissen schon." Und bloß keine Sorge wegen zu wenig Bräunung, betont Wessely: "Man wird selbst im Schatten mit einem 50er-Schutz eine gewisse Bräune aufbauen. Und das ist ab und zu auch okay." (Magdalena Pötsch, 13.6.2023)