Die Beziehung scheint ambivalent. Einerseits war Andreas Babler selbst Zeitsoldat beim Bundesheer. Andererseits hat der neue SPÖ-Vorsitzende die Abschaffung des heimischen Militärs gefordert. Einerseits bezeichnete Babler die EU vor gerade zweieinhalb Jahren als das "aggressivste außenpolitische militärische Bündnis, das es je gegeben hat", und "schlimmer als die Nato". Andererseits sagte Babler im STANDARD-Antrittsinterview am Freitag, es sei für das Heer "zu wenig, wenn man sich immer darauf zurückzieht, dass Einsätze nur mit UN-Mandat möglich sind". Und: Man solle auch über die Schaffung einer EU-Armee nachdenken. Was will Babler also? Eine Nachfrage beim roten Chef.

Andreas Babler
Er sei "immer für eine Beibehaltung der Wehrpflicht gewesen", sagt Babler dem STANDARD. 2011 forderte er allerdings noch per Aussendung die Abschaffung des Bundesheers als Ganzes.
Christian Fischer

Die Wehrpflicht

Im Interview antwortete Babler auf die Frage, ob es die Wehrpflicht in Österreich noch brauche, er sei "immer Befürworter" davon gewesen. Ein Blick ins Archiv zeigt allerdings: Das stimmt so nicht. In einer Aussendung aus dem Februar 2011 forderte der damalige Stadtrat in Traiskirchen nämlich gleich im Titel: "Nicht nur die Wehrpflicht, sondern generell das Militär abschaffen!"

Wenn das "klassisch-militärische Bedrohungspotential gegen Österreich in der Realität nicht vorhanden ist", sei es an der Zeit, "generell über die Sinnhaftigkeit einer militärischen Landesverteidigung zu diskutieren", schrieb er damals. Es sei sinnvoller, die für den Katastrophenschutz vorgesehenen "Geräte und Infrastrukturen" aus dem Heer, den "zivilen Institutionen wie Feuerwehr, Rettungs- und Zivilschutzverbänden zu übergeben", anstatt "ein Militärrelikt namens Bundesheer dafür weiter zu betreiben".

Heute sieht der SPÖ-Vorsitzende das offenkundig anders. Eine Abschaffung des Heers ist für ihn kein Thema mehr. Und auch für die Wehrpflicht sei er immer gewesen, sagt er am Montag auf nochmalige STANDARD-Nachfrage. Demnach habe er auch bei der Volksbefragung zur Schaffung eines Berufsheeres 2013 für eine Beibehaltung der Wehrpflicht gestimmt – entgegen der damaligen roten Parteilinie.

Die Auslandseinsätze

Angesprochen auf die Rolle von Auslandseinsätzen des Bundesheers sagte Babler im Interview: "Ich glaube, es ist zu wenig, wenn man sich immer darauf zurückzieht, dass Einsätze nur mit UN-Mandat möglich sind." Aber was genau bedeutet das? Sollte die Möglichkeit österreichischer Auslandseinsätze erweitert werden? Und steht für ihn auch ein Nato-Beitritt zur Debatte?

Österreich solle "eine aktive und glaubwürdige Neutralitätspolitik betreiben, das wäre mit einem Nato-Beitritt und den damit einhergehenden Verpflichtungen nicht vereinbar", sagt Babler am Montag. Er habe "einen Diskussionsprozess" mit außenpolitischen Fachleuten gestartet, der nun fortgesetzt werde. Generell brauche es "eine neue sicherheitspolitische Strategie, die anerkennt, dass der außenpolitische Sicherheitsbegriff weit über das rein Militärische hinausgeht".

Die EU-Armee

Auf die Frage nach gemeinsamen EU-Streitkräften antwortete Babler im Interview: "Darüber sollten wir diskutieren." Es gehe darum, "wie die gesamte europäische Sicherheitspolitik aussehen soll". In seiner eigenen Aussendung von 2011 hatte der Genosse als ein weiteres Argument für die Abschaffung des Bundesheers noch die "geforderte Teilnahme an internationalen Kriegseinsätzen, zukünftig wahrscheinlich vorwiegend für die EU", angegeben. "Mit einer Abschaffung der militärischen Struktur", so Babler damals, "müsste Österreich auch nicht mehr an den Euro-Battle (sic!) der EU mitwirken und könnte endlich wieder einmal eine tatsächliche, aktive und glaubwürdige Neutralitätspolitik betreiben."

Und heute? Ist der SPÖ-Chef für die Schaffung einer gemeinsamen EU-Armee unter Beteiligung Österreichs? Nein, sagt Babler. Die Position seiner Partei sei: "Österreich ist ein neutrales Land und eine Beteiligung an militärischen, internationalen Kampfeinsätzen ist mit unserer Neutralität nicht vereinbar."

Die Waffenlieferungen

Auf die Frage, ob die EU Waffen und Panzer an die Ukraine liefern solle, sagte Babler: "Ja, auf EU-Ebene halte ich das für richtig. Man muss von unserer Positionierung zur Ukraine ableiten, dass man alles tut, um den Aggressor in die Schranken zu weisen." Und was genau heißt das?

"Die EU finanziert das Liefern von Waffen an die ukrainischen Streitkräfte", lässt Babler wissen. Der Aggressor hinter diesem Krieg sei Russland. Es gebe ein Selbstverteidigungsrecht der Ukraine. Die EU unterstütze daher mit den Möglichkeiten, die sie habe, die Ukraine. Österreichische Waffenlieferungen seien indessen mit der Neutralität nicht vereinbar. "Wir müssen uns aber bemühen, die demokratischen Kräfte in Russland zu unterstützen, und Österreich aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von Putin lösen." (Martin Tschiderer, 12.6.2023)