Die Laiendarsteller waren rund 5.500 Sandsäcke, die gleichmäßig im gesamten U-Bahn-Wagen verteilt wurden – 110 Tonnen Beladung. Damit wurde eine Vollauslastung mit Passagieren im Fahrteinsatz simuliert. Schließlich soll der neue X-Wagen der Wiener Linien im Extremfall bis zu 928 Fahrgäste transportieren können. Die Testfahrt war erfolgreich: Anders hätte der neue Zug auch keine Betriebsbewilligung erhalten. "Insgesamt haben wir mit dem ersten X-Wagen fast 10.000 Testkilometer in den letzten drei Jahren abgespult", erzählt Markus Rubner, Projektleiter der X-Wagen-Beschaffung bei den Wiener Linien, bei einer weiteren Testfahrt auf der U3 außerhalb des regulären Öffi-Fahrplans dem  STANDARD.

Mit der Betriebsbewilligung für den modernen und vollklimatisierten neuen X-Wagen in der Tasche wird nun der nächste Schritt ermöglicht: Ab kommendem Freitag startet der erste Wagen in den Fahrgastbetrieb, kündigten die Wiener Linien am Montag an. Mit Verweis auf Sicherheitsrichtlinien werden von den städtischen Verkehrsbetrieben keine genauen Details, wann und wo der erste Zug unterwegs sein wird, genannt. Nur so viel: Am Freitag im Laufe des Tages haben ausdauernde Öffi-Aficionados wohl auf der Linie U3 die Gelegenheit, den X-Wagen im Echtbetrieb zu sehen.

X-Wagen, Wiener Linien
Vorerst gibt es nur für einen X-Wagen die Betriebsbewilligung. Weitere Züge sollen im Verlauf des Sommers grünes Licht erhalten.
Christian Fischer

Vorläufig auf U3 und U2 im Einsatz

Um den neuen Zug zu erwischen, braucht es gerade zu Beginn aber einiges an Glück. Denn die Fahrerlaubnis im Öffi-Netz gilt vorerst nur für den ersten Zug, der auf den Namen FeliX getauft wurde. In den nächsten Wochen dürfte sich daran auch nichts ändern, der X-Wagen startet im Soft Opening. Über den Sommer sollen laut Plänen der Wiener Linien dann weitere X-Züge folgen, wenn die Behörde grünes Licht gibt. Zum Einsatz kommt der neue Wagen "zunächst auf den Linien U3 und U2", sagt Rubner. Später sind Fahrten auch auf der U1 und der U4 vorgesehen. Derzeit sind zehn Fahrerinnen und Fahrer für den X-Wagen ausgebildet, weitere folgen. Ab 2026 sind die ersten Züge vollautomatisch auf der neuen U5 unterwegs.

"Insgesamt haben wir mit dem ersten X-Wagen fast 10.000 Testkilometer in den letzten drei Jahren abgespult."
Markus Rubner, Wiener Linien

Die neue Wiener U-Bahn-Generation startet jedenfalls mit gehöriger Verspätung: Im Oktober des Vorjahres sagte Günter Steinbauer, damals Geschäftsführer der Wiener Linien: "Wir rechnen noch 2022 mit dem Einsatz im Fahrgastbetrieb." Bei den Vorbereitungen zur Zulassung bei der Behörde – zuständig ist die MA 46 (Bau-, Energie-, Eisenbahn- und Luftfahrtrecht) – kam es aber auch pandemiebedingt zu Verzögerungen, räumten die Wiener Linien ein. Die Bewilligungsphase dauerte von September 2022 bis Mai 2023. X-Wagen-Projektleiter Rubner verwies darauf, dass es sich um einen Zug "mit hochmoderner Technik und zwei Betriebsarten" handelt – also mit Fahrer oder vollautomatisch.

Bisher wurden neun X-Wagen von Hersteller Siemens an die Wiener Linien ausgeliefert. Der neunte Zug wurde erst vergangene Woche bereitgestellt.
Christian Fischer

Neun X-Wagen bisher geliefert

Die weiteren neuen Züge des Typs müssen noch eine Serienprüfung bestehen, wo die wichtigsten Funktionen getestet werden. Neun X-Wagen wurden von Hersteller Siemens seit Juli 2020 ausgeliefert, der aktuellste vergangene Woche, erzählt Rubner. Insgesamt wurden 34 Züge bestellt, diese sollen bis 2030 bereitstehen. Zudem haben die Wiener Linien eine Option auf elf zusätzliche Züge. Mit Siemens wurden auch Wartung und Instandhaltung der Züge vertraglich geregelt. Die X-Wagen sind die dritte U-Bahn-Generation in der Bundeshauptstadt und werden sukzessive die in die Jahre gekommenen "Silberpfeile" ersetzen: Die Ältesten sind übrigens seit 1973 im Einsatz. Der V-Wagen – Vorgänger des X-Zugs – wurde zwischen 2000 und 2017 gebaut.

Die Halteschlaufen im neuen X-Wagen sind in Regenbogenfarben gehalten.
Christian Fischer

Im Vergleich mit dem Vorgängermodell weist der X-Wagen eine Kapazität von bis zu 928 Fahrgästen auf – um 46 mehr als der V-Wagen. Der zusätzliche (Steh-)Platz wurde auch gewonnen, weil es im Vergleich zum Vorgänger rund 50 Sitzplätze weniger gibt. Die Einstiegsbereiche sind großzügig ausgestaltet, was ein schnelleres Ein- und Aussteigen ermöglichen soll. Es gibt zwei zusätzliche Rollstuhlplätze in der Zugmitte und wie bisher vier an den Zugenden. Neben den gewohnten Quersitzen gibt es auch Längssitze. Blau eingefärbte Sitze sind für Fahrgäste mit eingeschränkter Mobilität vorgesehen.

Der X-Wagen weist auch Längssitze auf. Blaue Sitze sind für Personen mit eingeschränkter Mobilität vorgesehen. Insgesamt gibt es im Vergleich zum Vorgängermodell (V-Wagen) 50 Sitzplätze weniger.
Christian Fischer

Neu ist auch die digitale Fahrgastinformation: In Echtzeit erhalten Fahrgäste auf Bildschirmen über den Zugtüren Hinweise zu den verschiedenen Stationen. Einerseits gibt es Informationen zu den Ausgängen samt Hinweisen, ob diese auch Rollstuhlfahrer oder Personen mit Kinderwägen benutzen können. Andererseits werden die Wartezeiten auf andere Öffis bei Umsteigestationen angezeigt. Gewöhnungsbedürftig ist das neue Design des Netzplans der Wiener Linien, das doch deutlich vom bisher bekannten abweicht.

Das neue Design des Öffi-Netzplans.
Christian Fischer

Entwickelt wurde die "Fahrgastinfo Plus" von Siemens Mobility und den Wiener Linien, der zuständige Öffi-Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) sprach von "einer der modernsten der Welt".

Das neue digitale Informationssystem zeigt auch die Wartezeiten auf andere Öffis bei Umsteigestationen an.
Christian Fischer

Neue Glastüren öffnen sich ab 2024

Ab dem Jahr 2026 soll der X-Wagen dann auch erstmals vollautomatisch im Fahrgastbetrieb auf der aktuell neu errichteten U5 unterwegs sein. Um einen sicheren Betrieb ohne Fahrerin oder Fahrer zu ermöglichen, werden in allen U5-Stationen zwischen Karlsplatz und Frankhplatz Glaswände sowie Bahnsteigtüren eingebaut. Letztere lassen sich erst dann öffnen, wenn der X-Wagen in der Haltestelle steht.

Wie diese neuen Bahnsteigtüren im Echtbetrieb funktionieren, können Fahrgäste ab September 2024 erfahren: Denn mit Beginn des Schuljahrs 2024/25 soll die aktuell gesperrte Teilstrecke der U2 zwischen Schottentor und Karlsplatz wieder geöffnet werden. In den Stationen Rathaus, Volkstheater, Museumsquartier und Karlsplatz wurden die Bahnsteige bereits neu errichtet und insgesamt 144 Bahnsteigtüren eingebaut. Ursprünglich hätte die U2 (mit den neuen Bahnsteigtüren in vier Stationen) bereits ab September dieses Jahres wieder auf ganzer Strecke fahren sollen: Wegen Bauverzögerungen wurde die Sperre aber um ein Jahr verlängert.

Markus Rubner ist Projektleiter der X-Wagen-Beschaffung bei den Wiener Linien.
Christian Fischer

Noch mehr Fahrgäste möglich

Der aktuelle Zeitplan für die Eröffnung der U5 im Jahr 2026 soll trotz dieser Verzögerungen halten. Im vollautomatischen, fahrerlosen Betrieb kann dann optional der Fahrerstand des X-Wagens auch rückgebaut werden. Die zusätzliche Fläche käme den Fahrgästen zugute, was die Maximalkapazität um weitere 24 Personen pro Wagen auf 952 erhöhen würde. Die anfangs geschilderte Testfahrt mit den 5.500 Sandsäcken mit jeweils 20 Kilogramm hat gezeigt, dass auch der Ausbau der Vollauslastung möglich wäre. (David Krutzler, 13.6.2023)