Dollfuß, Mussolini, Diktator, Faschismus, Austrofaschismus, Riccione
Der Nichtschwimmer Dollfuß (links) traf den badenden Mussolini am Strand von Riccione: Italiens Diktator fügte mit seinem Körperkult dem kleingewachsenen Dollfuß eine Schmach zu.
ÖNB, Bildarchiv Austria

In aller Ruhe sollte es passieren, geordnet, "christlich": Als im März 1933 der christlichsoziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuß eine Geschäftsordnungspanne des Nationalrats, bei der alle drei Nationalratspräsidenten zurücktraten, ausnützte, um das Parlament polizeilich abzuriegeln und fortan autoritär zu regieren, war Österreichs Weg in die Diktatur eingeschlagen.

Die Ausstellung Die Zerstörung der Demokratie in der Wienbibliothek des Rathauses zeichnet nun minutiös nach, mit welcher Salamitaktik sich das Regime zwischen März 1933 und Februar 1934 Stück für Stück etablierte. Regiert wurde via Notverordnungen unter dem Anschein der Legalität, bis sich das Regime im Mai 1934 eine eigene Verfassung gab.

Austrofaschismus, Diktatur, Parlament, Polizist
Ein Polizist vor dem abgeriegelten Parlament im März 1933.
ÖNB, Bildrachiv Austria

Kruckenkreuz und Vaterländische Front sollten Hakenkreuz und NSDAP zuvorkommen, der kirchlich gestützte Austrofaschismus stand unter dem anfänglichen Schutz Benito Mussolinis. Der italienische Diktator empfing Dollfuß am Strand von Riccione in Badebekleidung, am Burgtheater spielte man Mussolinis Napoleon-Stück Hundert Tage.

Sehr aktuelle Thematik

Im Schulunterricht zeigt sich heute, dass das Wissen über den Austrofaschismus verblasst ist. Dabei gebe es "gewichtige Gründe, das Ende der österreichischen Demokratie heute zu thematisieren", wie Wienbibliothek-Chefin Anita Eichinger und Wien-Museum-Direktor Matti Bunzl in einer umfassenden Begleitpublikation schreiben.

Die autoritäre Versuchung sei nämlich erneut "in unserer politischen Gegenwart angekommen. Auf nahezu allen Kontinenten greifen Regierungen zwecks Machterhalts in die Gelenkstellen der Demokratie ein – versuchen Einfluss auf die Justiz zu gewinnen, die Medien zu domestizieren, Wahlen zu delegitimieren, Kulturkämpfe um ‚wahre Werte‘ zu führen, Feinde auszumachen, nostalgische Stimmungen zu instrumentalisieren, die Nation exklusiv zu definieren oder die Gesellschaft zu spalten."

Straßensperre, Austrofaschismus, Diktatur, Sozialdemokratie
Straßensperre vor dem Wiener Volkstheater: Sozialdemokraten umgingen das Demonstrationsverbot dadurch, dass sie politische "Spaziergänge" unternahmen.“
ÖNB, Bildarchiv Austria

Tatsächlich fühlt man sich in der Ausstellung an mehreren Stellen unangenehm an heute erinnert: Das beginnt bei Kulturkämpfen über Abtreibungsrechte und endet bei Gedenkkundgebungen zur Wiener Türkenbelagerung.

Was rechtsextreme Identitäre heute wieder auf dem Kahlenberg inszenieren wollen, wurde 1933 vom Regime verordnet: Aus ganz Österreich pilgerten damals paramilitärische Heimwehrverbände mit ihren bekennend faschistischen Führern Emil Fey und Ernst Rüdiger Starhemberg zu einer "Türkenbefreiungsfeier" nach Wien. Das alte Feindbild der "Gefahr aus dem Osten" wurde beschworen, der Marxismus, die "asiatischen Horden".

Zahlreiche Kurzbiografien, nicht nur von Diktaturvertretern, auch von Gegnerinnen und Gegnern, Opfern und Kommentatorinnen schärfen den Blick auf die Zeit. Stefan Zweig, ein Bürgerlicher, der verdächtig schien, schrieb: "Ich wußte seit jenen Tagen in Wien, daß Österreich verloren war." (Stefan Weiss, 14.6.2023)