Verfassungsgerichtshof, VfGH, Höchstgericht, Pandemie, Cofag
Der Verfassungsgerichtshof kam am Mittwoch zu einer seiner seltenen öffentlichen mündlichen Verhandlungen zusammen.
APA/GEORG HOCHMUTH

Erst die verheerende Kritik des Rechnungshofs, dann Tadel der Europäischen Kommission: Die Corona-Förderstelle Cofag kam in den letzten Monaten kaum aus den Schlagzeilen – und jetzt droht neues Ungemach: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) sieht die Konstruktion der Agentur äußerst kritisch und leitete vergangenen Herbst nach einem Antrag der Wiener Lokalbahnen Verkehrsdienste* von Amts wegen ein weitergehendes Verfahren ein. Denkbar ist, dass der VfGH praktisch die gesamte Konstruktion der Förderstelle als verfassungswidrig ansieht.

Am Mittwoch hat das Höchstgericht nun mündlich über die Aufhebung des Gesetzes, mit dem die Cofag eingerichtet wurde, verhandelt. Dabei zeigten sich die Richterinnen und Richter in ihren Fragen an die Vertreter der Cofag, des Finanzministeriums und des Bundeskanzleramts äußerst kritisch. Die Argumentation der Regierung sei zum Teil nicht nachvollziehbar und mitunter auch widersprüchlich. Nach drei Stunden unterbrach VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter die Sitzung. Die Regierung soll nun wichtige Unterlagen nachreichen. Nächste Woche wird fortgesetzt.

Mangelnde Kontrolle

Zur Erinnerung: Um Betrieben in der Pandemie zu helfen, hatte die türkis-grüne Bundesregierung mit der Cofag ein eigenes staatliches Unternehmen gegründet, das die Förderungen abwickeln sollte. Wie aus dem Einleitungsbeschluss des VfGH hervorgeht, ist aus Sicht der Höchstrichterinnen und Höchstrichter allerdings fraglich, ob eine derartige Ausgliederung aus dem Staatsgefüge verfassungsrechtlich zulässig ist.

Die Abwicklung der Hilfen sei nämlich faktisch eine Aufgabe der staatlichen Hoheitsverwaltung. Durch die Übertragung der Förderungen an ein Unternehmen scheinen der Nationalrat und der Bundesrat nicht die Möglichkeit zu haben, direkt zu überprüfen, was mit den Geldern passiere, heißt es in dem Beschluss. Sehr ähnliche Kritik hatten in den letzten Jahren auch die Oppositionsparteien geübt.

Regierung rechtfertigt sich

Hohe Beamte aus dem Finanzministerium und dem Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt sowie Vertreter der Cofag versuchten am Mittwoch, die Vorgangsweise zu rechtfertigen. Die Regierung sieht bei der Fördervergabe einen "rechtspolitischen Gestaltungsspielraum". Man habe Entscheidungen treffen müssen, die von "großen Unsicherheiten" geprägt waren. Der Einsatz der externen Förderstelle Cofag sei berechtigt gewesen, weil man so rascher handeln konnte, sagte Alfred Lejsek aus dem Finanzministerium.

Die Argumentation des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, dass ja auch andere privat organisierte Rechtsträger wie die Asfinag öffentliche Aufgabe übernehmen, konnte Verfassungsrichter Christoph Herbst nicht nachvollziehen. "Ich verstehe das Argument nicht", sagte Herbst. Die Asfinag sei nicht mit der Cofag vergleichbar, weil sie als Aktiengesellschaft organisiert sei und mehr als 50 Prozent ihrer Kosten selbst finanziere. Dass die Abwicklung über die Cofag schneller gewesen wäre, stellt Herbst infrage. "Gerade das Finanzministerium, das immer wieder mit wirtschaftlichen Zusammenhängen zu tun hat, müsste das doch können."

Auch Verfassungsrichter Johannes Schnizer zeigte sich von so mancher Ausführung der Beamten "überrascht" und sprach von einer teils "widersprüchlichen" Argumentation. "Das ist keine Kritik an Ihnen persönlich", sagte Schnitzer zu den Beamten. "Sie haben ja politische Aufträge zu erfüllen." VfGH-Präsident Grabenwarter sieht jedenfalls einen "erheblichen Informationsbedarf" des Gerichtshofs. Die Bundesregierung hat nun eine Woche Zeit, Informationen nachzuliefern – etwa zu Aufträgen des Finanzministeriums an die Cofag.

"Grundsatzentscheidung"

"Das Problem ist, dass es in der Privatwirtschaftsverwaltung keinen wirklichen Rechtsschutz gibt", sagte Peter Bußjäger, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Innsbruck, im Gespräch mit dem STANDARD vor der Verhandlung. "Der VfGH hat offenbar vor, in dieser Frage eine Grundsatzentscheidung zu treffen."

Die endgültige Entscheidung sei damit zwar keinesfalls vorweggenommen; von Amts wegen leite der VfGH jedoch nur dann Prüfungen ein, wenn er "massive Bedenken" hat. Ähnlich sieht das Verfassungsprofessor Karl Stöger von der Universität Wien. Die Wahrscheinlichkeit, dass der VfGH ein Gesetz aufhebt, sei höher, wenn er das Verfahren selbst einleite.

Selbst im Fall einer Aufhebung gibt es laut Bußjäger aber kaum eine Grundlage dafür, dass Corona-Hilfen zurückbezahlt werden müssen. Die Entscheidungen haben grundsätzlich nur Wirkung für die Zukunft. "Selbst wenn man das Gesetz rückwirkend aufheben würde: Die Betroffenen haben das Geld damals gutgläubig als Ausgleich für Einkommensverluste erhalten, die durch staatlich angeordnete Maßnahmen eingetreten sind", sagt der Verfassungsrechtler. "Eine Rückforderung würde jeglichen Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechen."

Auch hier ist Jurist Stöger ähnlicher Meinung: Der VfGH habe in dem Beschluss betont, dass es für die Corona-Maßnahmen grundsätzlich Ausgleichszahlungen brauche. Dass die Richterinnen und Richter auf eine Rückzahlung hinwirken, sei daher unwahrscheinlich.

Scharfe Kritik des Rechnungshofs

Auch der Rechnungshof hatte in einem Bericht, der Anfang August vorab bekannt wurde, scharfe Kritik an der Abwicklung der Corona-Hilfen geübt. So habe das Finanzministerium etwa den Zuschussbedarf an die Branchenzugehörigkeit geknüpft und damit zum Teil Kosten bevorschusst, die nicht oder kaum angefallen sind. Zudem sei die Auszahlung "fehleranfällig" gewesen. (Jakob Pflügl, 14.6.2023)