Im Gastblog berichtet der Archäologe Johann Rudorfer von der Forschung an alten Gräbern, die zum Teil schon vor langer Zeit zum ersten Mal entdeckt wurden.

Seit jeher sehen sich die Menschen in Hallstatt den Naturgewalten ausgesetzt. Mehrfach schon konnten Archäologinnen und Archäologen des Naturhistorischen Museums Wien (NHM) vergangene Katastrophen dokumentieren, die das Leben der prähistorischen Bewohnerinnen und Bewohner des Hochtals stark beeinträchtigten. Besonders Murenabgänge und Steinschläge beschädigten nicht nur die Siedlungen sondern auch den Jahrtausende alten Salzbergbau. Doch bis heute stemmen sich die Bewohnerinnen und Bewohner gegen diese Gefahren. Eine in Zeiten des Klimawandels immer schwieriger werdende Aufgabe. Diesem Problem stellen sich gemeinsam mit dem NHM wichtige Partner und sorgen damit für einen Erhalt des Lebensraums für die Bevölkerung Hallstatts.

Luftaufnahme des Gebiets
Das Hallstätter Hochtal am Salzberg vom südöstlichen Eingang in Richtung des hochaufragenden Plassens aufgenommen. Die rote Linie markiert das aktuelle Untersuchungsgebiet.
Foto: Andreas W. Rausch, NHM Wien

An alte Forschung anknüpfen

Seit 2020 wird am Hallstätter Salzberg, westlich und rund 300 Meter über dem Markt gelegen, durch die Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) ein Steinschlagschutznetz errichtet. Durch gezielte Voruntersuchungen und die Beaufsichtigung der Bauarbeiten durch das NHM konnten dabei bereits wichtige Spuren aus der Vergangenheit vor einer undokumentierten Zerstörung bewahrt werden. Heuer soll dieses Schutzbauwerk vollendet werden, was sowohl die Wissenschaft als auch die Bauarbeiten vor erhebliche Aufgaben stellt. Denn nun ist gerade jener Bereich betroffen, in dem Johann Georg Ramsauer 1846 mit seinen Untersuchungen des eisenzeitlichen Friedhofs begann und dadurch den Ort Hallstatt in der archäologischen Fachwelt und darüber hinaus berühmt machte. Ein bedeutender Fundort also, nach dem schließlich eine ganze Kulturepoche Mitteleuropas, nämlich jene der älteren Eisenzeit (circa 800 bis 450 vor Christus), benannt wurde.

Weitwinkelaufnahme des Gebiets.
Die frisch gerodete Maßnahmenfläche.
Foto: Andreas W. Rausch, NHM Wien

Aber warum müssen hier archäologische Voruntersuchungen dann überhaupt durchgeführt werden, wenn in dem Areal doch bereits gegraben wurde? Nun, da davon ausgegangen wird, dass damals nicht alle Bestattungen erfasst wurden, muss diese Zone erneut untersucht werden. Auch die damals angewandte Grabungsmethodik wurde leider nicht klar überliefert, und es wird vermutet, dass sich auch noch Reste von damals dokumentierten Gräbern im Boden befinden. Die Befunde wurden zwar zeichnerisch gut aufgenommen, viele der Funde, die aus damaliger Sicht aber wenig Wert hatten oder in einem zu schlechten Zustand waren, um sie vernünftig bergen zu können, wurden wohl einfach im Boden belassen.

Scan einer Seite, auf der die Funde aufgemalt sind.
J. G. Ramsauer nahm die Dokumentation der Befunde sehr ernst und ließ sie, wie an diesem Beispiel zu sehen ist, genau abzeichnen und malen.
Foto: Gemalt von Isidor Engel Mitte 19. Jahrhundert, NHM Wien

Katastrophen- und Denkmalschutz

Dieses so wichtige Erbe wird durch die Gemeinde Hallstatt, aber auch durch die Salinen Austria AG und die Salzwelten GmbH hochgehalten und gepflegt. Schließlich ist es ein bedeutender Anreiz für die zahlreichen Gäste aus dem In- und Ausland, den Ort zu besuchen. Dies rückt nun in Anbetracht des bevorstehenden Kulturhauptstadtjahres 2024, in dem neben Bad Ischl noch weiter 22 Gemeinden des Salzkammerguts vertreten sein werden, wieder stark in den Vordergrund. Denn im Falle Hallstatts muss hier auch für die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher gesorgt werden. So werden durch den Schutzbau der WLV nicht nur die Einwohnerinnen und Einwohner Hallstatts, sondern darüber hinaus auch die Gäste der Unesco-Welterbe-Gemeinde und insbesondere der Salzwelten geschützt.

Eine wichtige Baumaßnahme also, die aber so abgewickelt werden kann, dass sowohl der aktive Katastrophenschutz als auch der Denkmal- und Welterbeschutz gegeben sind. Gemeinsam mit dem Bundesdenkmalamt wurde ein schonendes Verfahren für die Errichtung gewählt, das zu möglichst wenigen Bodeneingriffen führen wird. Damit sollen noch ungestörte Gräber weitgehend im Boden verbleiben können. Zusätzlich wurde bereits durch gezielte Geoprospektionen, die durch die Geosphere Austria erfolgten, die Möglichkeit genutzt, archäologische Strukturen bereits vor Beginn der Bauarbeiten ausfindig zu machen, um diesen dann im Vorfeld gezielt auf den Grund zu gehen.

Zwei Forscher arbeiten mit wissenschaftlichem Gerät.
Die Prospektionsarbeiten mittels Geomagnetik durch Mitarbeiter der Geosphere Austria gestalteten sich im Hang äußerst schwierig.
Foto: Andreas W. Rausch, NHM Wien

Durch fachkundige Begehungen konnten an der Oberfläche des Areals bereits sehr gut erhaltenen Artefakte entdeckt und sichergestellt werden. Es handelt sich hier um damals – vor gut 2.500 Jahren – als Grabbeigaben mitgegebene Schmuck- und Trachtgegenstände, etwa Bronzenadeln, die zum einen als Gewandschließen, aber wie im Fall einer Kugelkopfnadel wohl auch als Haarschmuck dienten.

Nahaufnahme einer Gewandnadel.
Eine vollständig erhaltene Gewandnadel aus Bronze mit geradem Ende weist noch gut erkennbare Verzierungen auf.
Foto: Andreas W. Rausch, NHM Wien
Nahaufnahme einer Haarnadel.
Eine vermutlich als Haarnadel verwendete Kugelkopfnadel.
Foto: Andreas W. Rausch, NHM Wien

Zuletzt wurden dann mittels Drohnenflug auch noch umfassende Fotoaufnahmen von der frisch gerodeten Oberfläche gemacht, die es in Kombination mit klassischer Vermessungsarbeit ermöglichen werden, ein detailliertes Oberflächenrelief zu modellieren.

Somit schließt sich ein Kreis, in dem die Archäologie eine zentrale Rolle einnimmt. Gemeinsam mit langjährigen Partnern kann das NHM Wien für einen reibungslosen Ablauf der notwendigen Bauarbeiten sorgen. Ein Beispiel dafür, dass Wissenschaft und Wirtschaft sowie Denkmal- und Katastrophenschutz durchaus vereinbar sind und was durch einen verständnisvollen Umgang miteinander möglich wird. Die eigentlichen Grabungsarbeiten laufen seit Anfang Juni und sollen bis 3. August dauern. (Johann Rudorfer, 15.6.2023)