Die Fotos aus New York, die in den vergangenen Tagen um die Welt gingen, sehen bedrohlich aus, dystopisch. Die Metropole war in einen trüben Nebel gehüllt, die Sonne schimmerte als gelb-orangener Ball am Himmel nur teilweise durch die Rauchwolke, die die komplette Stadt in einen Schleier hüllte. Der Anblick war surreal, erinnerte an einen Science-Fiction-Film. Fast kam Endzeitstimmung auf.

Der Grund für den Smog: In Amerikas Nachbarland Kanada lodern seit Wochen hunderte Waldbrände. Kanadischen Behörden zufolge brannten Anfang der Woche 449 Feuer, 219 davon wurden als "außer Kontrolle" eingestuft. Dem nicht genug, zog der Rauch weiter in Richtung Süden und US-Ostküste. Im östlichen Nordamerika haben teilweise mehr als 100 Millionen Menschen unter den Rauchschwaden gelitten. New York City sprach eine Warnung wegen schlechter Luftqualität aus. Die Werte waren schlechter als in Neu-Delhi oder Dubai. Menschen mit schlechtem Gesundheitszustand waren dringend aufgefordert, zu Hause zu bleiben.

New York im orangen Nebel, schuld sind die Waldbrände in Kanada.
Die Bilder aus New York City, das der Rauch aus Kanada in trüben Nebel hüllte, gingen in den vergangenen Tagen um die Welt.
APA/AFP/TIMOTHY A. CLARY

Für Kanada könnte es ein schlimmer Sommer werden, zumal die eigentliche Waldbrandsaison von Juli bis September erst bevorsteht. Auch die aktuellen Brände werden nicht so schnell zu bändigen sein, wie der Sicherheitsminister der Provinz Québec vor einigen Tagen verlautbarte. Seit Beginn des Jahres wurden mehr als 4,6 Millionen Hektar von den Flammen verwüstet, das entspricht in etwa einer Fläche halb so groß wie Österreich. Zehntausende Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden.

Waldbrände werden zunehmen

Aber nicht nur in Kanada, auch in Europa brennen die Wälder. So kämpft die Feuerwehr derzeit in mehreren Teilen Deutschlands gegen das Lodern an, etwa in Mecklenburg-Vorpommern oder Rheinland-Pfalz. Auch hier mussten Menschen aus ihren Häusern evakuiert werden und bei Freunden, Verwandten oder in Turnhallen unterkommen. Auch der enorme Waldbrand im Rax-Gebiet nahe Wien vor eineinhalb Jahren ist vielen wohl noch in Erinnerung. Die Flammen haben fast 9.000 Einsatzkräfte 13 Tage lang intensiv gefordert.

Durch den Klimawandel werden die Waldbrände immer mehr und immer heftiger, sagen Fachleute. Sie würden weltweit zunehmen, sogar in Gebieten, die bisher nicht betroffen waren, heißt es in einem Bericht der Vereinten Nationen. Das Perfide: Die Klimaerwärmung befördert Waldbrände – und diese wiederum den Klimawandel.

Luftaufnahme, in Kanada tobt ein Waldbrand, Rauch steigt auf. 
In Kanada brennen seit Wochen die Wälder ein Ende ist nicht in Sicht.
Reuters/ALBERTA WILDFIRE

Die EU-Umweltagentur EEA sieht auf Europa einen Sommer der Extreme zukommen. Der Ausblick sei insgesamt pessimistisch, so die EEA-Experten. Deshalb sei die Anpassung an den Klimawandel von entscheidender Bedeutung. Wie ist Europa auf Waldbrände vorbereitet?

"Ganz unterschiedlich", sagt Matthias Forkel, Umweltforscher an der Technischen Universität Dresden. Vergangenes Jahr habe es mehrere große Waldbrände in Mitteleuropa gegeben, in Deutschland, Tschechien, Österreich. "Bei den Dörfern und Städten in der Nähe gibt es ein riesiges Umdenken, wie man damit umgeht. Aber andere Orte, wo das noch nie aufgetreten ist, machen sich relativ wenige Sorgen. Ein einheitliches Gedankenmachen über das Thema Waldbrand gibt es eigentlich nicht."

Für Forkel bräuchte es ein europäisches Brandmanagement – angefangen bei der Vorhersage. Derzeit könne es vorkommen, dass zum Beispiel im deutschen Sachsen höchste Waldbrandgefahrenstufe ausgerufen und ein Betretungsverbot für die Wälder verhängt wird. "Gleichzeitig gilt auf der tschechischen Seite, wo es vom Wetter her nicht anders ist, nur eine mittlere Gefahrenstufe. Dann nützt das deutsche Verbot natürlich relativ wenig." Auch beim Löschen der Feuer sollten Landesgrenzen keine so große Rolle mehr spielen, sagt Forkel. Unter seiner Leitung haben sich im Vorjahr 70 Fachleute aus mehreren Ländern über eine ganzheitliche Strategie für das Brandmanagement beraten. Die Teilnehmenden kamen unter anderem aus Griechenland, Portugal, Spanien, Tschechien und Österreich.

Pilotprojekte in Portugal

Wie gefährdete Dörfer besser geschützt werden können, dazu wird in Portugal geforscht. Dort werden feuersichere Räume eingerichtet, die mit Küchen und Sanitärräumen ausgestattet sind. Darin können größere Gruppen über mehrere Tage leben. Die Räume sind etwa durch einen Wassergraben geschützt. "Für andere Teile Europas ist so etwas überhaupt noch nicht angedacht."

Was nun wichtig wäre, so Forkel: herauszufinden, welche Dörfer überhaupt in Gefahr geraten könnten. Das hänge unter anderem von der Vegetation ab: "Ein Dorf, das in der Mitte eines Laubwaldes steht, ist relativ sicher. Dort werden keine großen Brände auftreten. Ein Dorf, das in der Mitte eines Nadelwaldes steht, ist wiederum potentiell sehr gefährdet." Das liegt daran, dass Laubholz mehr Wasser speichert und deshalb schlechter brennt. Nadelhölzer hingegen brennen wie Zunder. Schwieriger sei es, jene Gegenden zu ermitteln, die indirekt betroffen sein könnten – also etwa durch Luftverschmutzung wie in New York City. "Man müsste die Windmuster berücksichtigen: Woher kommt der Wind? Wo weht er hin?" Für solche Vorhersagen insbesondere in kleinräumigen Gebirgsregionen wie in Mitteleuropa sind die Wetter- und Waldbrandmodelle jedoch noch zu ungenau.

Mehr Wissen, weniger Gefahr

Weil Waldbrände hohe Risiken bergen können, braucht es für den Forscher dringend Richtlinien, wo gebaut werden darf und wo nicht – ähnlich wie bei Überflutungsgebieten. Notwendig sei zudem, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren. Denn in etwa neun von zehn Fällen sei die Ursache für Waldbrände der Mensch. "Weniger als zehn Prozent haben natürliche Ursachen." Zentral bei der Frage, ob die Waldbrände in Zukunft zunehmen werden, sei also: "Werden wir alle achtsamer beim Umgang mit Feuer in Wäldern? Oder machen wir weiter so?"

Ein aktueller Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) macht deutlich, dass Maßnahmen für den Klimaschutz und die Anpassung an verstärkt auftretende Waldbrände Hand in Hand gehen müssen. Dabei sind vor allem Bewusstseinsbildung und Wissensvermittlung wichtig.

Positive Beispiele finden sich etwa in Portugal mit den Kampagnen "Safe Village Safe People" und "Portugal is Calling". Ziel ist es, die Menschen über korrektes Verhalten aufzuklären, sodass erstens weniger Brände entstehen und sie zweitens wissen, was im Brandfall zu tun ist. Das Programm "Firelife" in Ungarn fokussiert zudem neben der breiten Bevölkerung konkret auf Landwirte, Försterinnen und Feuerwehrkräfte, um sie über Brandgefahren auch im Berufsalltag aufzuklären.

Üben, üben, üben

In Österreich investiert das Burgenland einer Presseaussendung zufolge aktuell 425.000 Euro in spezielle Feuerwehrausrüstung zur Bekämpfung von Vegetationsbränden, sprich Wald- und Flurbränden. Da aufgrund immer länger anhaltender Hitze und Trockenperioden die Gefahr von Flur- und Waldbränden steige, würden 60 der insgesamt 316 Feuerwehren für Vegetationsbrandbekämpfung geschult und ausgerüstet. Im Rahmen eines Pilotprojekts werden außerdem zwei Drohnenstützpunkte eingerichtet, um während Einsätzen aus der Luft unterstützen zu können.

Auf Nachfrage des STANDARD würde damit sowohl auf die Auswirkungen des Klimawandels reagiert als auch nötige Investitionen in die Feuerwehren getätigt. Im Burgenland mussten die Feuerwehren im vergangenen Jahr durchschnittlich 20-mal pro Tag ausrücken. Knapp 30 Prozent aller Einsätze waren auf Brände zurückzuführen. 

Ein Feuerwehrmann weist einen Helikopter ein.
Im Jahr 2021 waren zahlreiche Feuerwehrleute im Einsatz, um den Waldbrand auf der Rax zu löschen.
APA/BKA/DRAGAN TATIC

Gemeinsam Waldwege erkunden

Die Wälder in Wien sind laut Andreas Januskovecz gut auf Brandgefahren vorbereitet. Der Klima- und Forstdirektor ist sicher: "Meine Försterinnen und Förster kennen ihren Wald wie ihre Westentasche." Das sei neben Übungen für den Ernstfall eine wichtige Präventionsmaßnahme. Sobald es brenne und rauche, sei es wichtig, rasch lokalisieren zu können, wo der Brand sei und wie man dorthin komme, erklärt Januskovecz. 

Eine wesentliche Rolle spiele die enge Zusammenarbeit mit der Berufsfeuerwehr Wien – "man kennt sich gut", sagt der Forstdirektor. Sein großes Learning nach dem Brand im Schneeberg-Gebiet 2021: "Wenn sich die handelnden Personen während der Brandbekämpfung schon vorher gut kennen, funktioniert der Ablauf besser." Daher finden immer wieder Teammeetings statt, bei denen etwa gemeinsam Wege für den Notfall in den Wäldern erkundet werden. Zudem werde der Ernstfall regelmäßig geprobt.

Außerdem üben die Försterinnen und Förster gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr Wien sowie anderen Landesfeuerwehrverbänden, dem österreichischen Bundesheer (BH), dem Innenministerium, dem Katastrophenhilfsdienst und anderen Magistraten der Stadt Wien regelmäßig den Ernstfall. Zuletzt wurde der Ernstfall im März in der Lobau simuliert.

Gesperrte Grillplätze in Wien

Um Brände überhaupt zu vermeiden, mahnt Januskovecz, kein offenes Feuer im Wald zu entzünden – egal ob es trocken ist oder nicht. Genauso wie das Wegschmeißen von Zigaretten sei dies ohnehin verboten.

Maiskolben auf dem Grill. 
In Wien können die Grillplätze in der Stadt gesperrt werden, wenn Gefahr besteht.
APA/GEORG HOCHMUTH

Wandern die Gebiete in den roten Bereich, erlasse die Behörde die Waldbrandverordnung, die offenes Feuer im Wald und in Waldnähe verbietet; somit werden im Stadtgebiet auch die Grillplätze gesperrt. In den vergangenen zehn Sommern musste die Waldbrandverordnung jedenfalls einmal pro Jahr erlassen werden, sagt Januskovecz. Er bemerkt auch, dass sie aufgrund des Klimawandels und der damit einhergehenden Trockenheit früher und auch länger in Kraft tritt.

Laut der Wiener Berufsfeuerwehr ist das Ausmaß der Waldbrände in Kanada aber keinesfalls mit möglichen Szenarien im Raum Wien zu vergleichen. Es liegen völlig andere Voraussetzungen in Bezug auf Vegetation, Gelände und Dimension vor. Auf Nachfrage bei der Stadt Wien heißt es aber, dass es verschiedene Möglichkeiten gebe, evakuierte Personen innerhalb von ein bis zwei Stunden in Unterkünften unterzubringen. Zudem sei die Feuerwehr mit sogenannten Fluchtfilterhauben ausgestattet, die zum Einsatz kämen, wenn Menschen aus stark verrauchten Bereichen zu evakuieren seien. Da die Situation in Kanada mit unseren Breitengraden und mit unseren Gegebenheiten nicht vergleichbar sei, stelle sich die Frage der Bevorratung von Masken für die Bevölkerung aber nicht. (Julia Beirer, Lisa Breit, 18.6.2023)