Es ist ein eigenwilliger Stempel, den Rammstein der Musikwelt in den vergangenen 29 Jahren aufgedrückt hat. Aber er zieht bei den Massen. Weniger bekannt ist das millionenschwere Business, das seit der Gründung 1994 im Hintergrund gewachsen ist. Rammstein ist nicht nur eine Band, Rammstein ist ein Unternehmen mit einem Markenwert, von dem die meisten Firmen nur träumen können. In Deutschland macht in der Musikbranche niemand sonst auch nur annähernd so viel Geld, und auch global gehört die Berliner Band zu den Topverdienern. 

VIDEO: Umfrage vor einem Rammstein-Konzert in München letzte Woche
AFP

Im Vorjahr erwirtschafteten Rammstein mit Konzerttickets einen Umsatz von mehr als 200 Millionen Dollar. Damit liegt die Band im internationalen Vergleich auf Platz sechs hinter Stars wie Elton John, Ed Sheeren und Coldplay, geht aus der Website Touringdata hervor. Die Stadiontour im Zeitraum von 2019 bis 2022 hat Touringdata zufolge knapp 350 Millionen Dollar eingespielt. Davon muss die Band einen guten Teil freilich wieder abgeben. Rammstein-Konzerte sind bekannt für sehr aufwendiges Tamtam wie Pyro- und Feuereinlagen, riesige Bühnen und überdimensionale Requisiten. Dafür braucht es dutzende Lkws und mehr als 100 Crewmitglieder.

Till Lindemann soll nach Konzerten sexuell übergriffig geworden sein – er selbst bestreitet die Vorwürfe.
Till Lindemann soll nach Konzerten sexuell übergriffig geworden sein – er selbst bestreitet die Vorwürfe.
APA/AFP/DPA/CHRISTOPHE GATEAU

Undurchsichtiges Firmenkonstrukt

Laut deutschem Handelsregister gibt es mindestens fünf Unternehmen, die direkt oder indirekt mit Sänger Till Lindemann in Verbindung stehen, wie das deutsche Nachrichtenportal "Capital" berichtet. Das Herzstück des Firmengeflechts ist dabei die Rammstein GbR mit Hauptsitz in Berlin, bei der alle sechs Bandmitglieder als Gesellschafter eingetragen sind – bei zwei weiteren auf Merchandising spezialisierte Unternehmen ist die Struktur ebenso. Zusätzlich gibt es eine Konzertagentur und einen Musikzubehörhandel. Unterm Strich kann man sagen: Alles, was es braucht, um mit einer Band viel Geld zu verdienen, hält Rammstein in eigenen Händen. Unbestätigten Schätzungen zufolge könnte die Band in den vergangenen 16 Jahren bis zu einer Milliarde Euro eingenommen haben.

Eintrittsgelder machen im Geschäftsmodell aber nur einen Teil der Einnahmen aus. Von ihren acht Alben hat die Band mehr als 20 Millionen Stück verkauft – aufgrund des tendenziell etwas älteren Zielpublikums spielen physische Tonträger auch heutzutage noch eine wichtige Rolle. Dazu kommen neben klassischem Bekleidungs-Merchandise Produkte wie Spirituosen, Werkzeugkisten, Parfums, Möbel. Die Liste ist lang. Im Onlineshop wird wegen der hohen Bestellzahlen auf Lieferverzögerungen hingewiesen. Die schwerwiegenden Vorwürfe gegen Sänger Lindemann wegen sexueller Übergriffigkeit schaden aber nicht nur dem Image – sie haben auch finanzielle Konsequenzen. Mittlerweile ermittelt auch die Berliner Staatsanwaltschaft gegen den Sänger

"Feuer Frei!" Diesen Liedtitel nimmt Rammstein bei ihren Konzerten absolut wortwörtlich.
IMAGO/Gonzales Photo

Von Lindemann distanziert

So hat etwa die Drogeriekette Rossmann die Band-Parfums mit Namen wie "Pussy", "Sex" oder "Kokain" aus dem Sortiment genommen. Auch bei Müller in Deutschland gibt es das Parfum nicht mehr, zahlreiche andere Artikel blieben aber im Sortiment. Wie berichtet hat der Online-Poker-Anbieter GGPoker die Werbekampagne mit Lindemann eingestellt, seine Aktivitäten als Solokünstler stehen auf der Kippe. Mit seinen Gedichtbänden hat sich der 60-Jährige in den vergangenen Jahren sogar zum umsatzstärksten deutschen Gegenwartslyriker entwickelt, der Verlag Kiepenheuer & Witsch hat die Zusammenarbeit aber ebenfalls beendet. Auch für ein Gedicht hagelte es in der Vergangenheit schon einmal schwere Kritik, weil er darin über Vergewaltigung fantasiert. Ob die als Lindemanns Solo-Projekt angesetzte Tour im Herbst und Winter stattfindet, gilt laut dem Bayerischem Rundfunk momentan noch als ungeklärt. 

Konzerte in Wien

Und die Auftritte in Wien? Auf Ö-Ticket sind die beide Shows Ende Juli im Ernst-Happel-Stadion ausverkauft, auf Willhaben finden sich einige Tickets, aber das ist bei einem ausverkauften Konzert so üblich. Die Grünen jedenfalls sprachen sich vergangene Woche für eine Absage der beiden Konzerte aus. "Den Veranstaltern muss nach Bekanntwerden dieser schweren Vorwürfe klar sein, dass ein Konzert dieser Band kein sicherer Ort für Frauen ist. Solange die Vorwürfe nicht restlos geklärt sind, müssen diese Konzerte in Wien abgesagt werden", wurde Wiens Grünen-Frauensprecherin Viktoria Spielmann in einer Aussendung zitiert.

Dass nach aktuellem Stand der Dinge Konzerte der Tour ausfallen, gilt bei Eventversicherern als unwahrscheinlich. Es geht um sehr viel Geld, langfristige Verträge und alle Beteiligten dürften Interesse am Zustandekommen der Shows haben. Bei einem Reputationsschaden ist nicht geklärt, wer die angefallenen Kosten übernehmen würde. (and, 15.6.2023)