Lenzerheide – Auf Vali war wieder Verlass. Österreichs schnellste Frau am Downhill-Bike, Valentina "Vali" Höll, sorgte mit einem soliden vierten Platz für einen Saisonauftakt nach Maß. Wobei sich die ehrgeizige Neo-Innsbruckerin mehr erhofft hatte. Doch im Semi-Finale stürzte Höll – in Führung liegend – im Rock Garden. Das habe es schwer für sie gemacht, sich im Finale wieder voll zu konzentrieren, erklärte die regierende Weltmeisterin. Und so musste sie sich am Ende mit Platz vier begnügen. Im Downhillsport sind die ersten fünf Platzierungen Podestplätze.

Vali Höll beim Downhillrennen
Vali Höll, Österreichs schnellste Frau am Downhill-Bike.
Red Bull Content Pool / Bartek Wolinski

Semifinale und Finale? Ja, Sie haben richtig gelesen. Über die Winterpause hat der Radsportverband UCI das Reglement überarbeitet und mit dem Semifinale eine weitere Wertung zwischen Qualifikation und Finale eingeführt, die mit Punkten belohnt wird. In der Praxis heißt das, nach der Quali wird das Feld an Fahrerinnen und Fahrern im Semifinale noch einmal ausgedünnt. Und so treten am Ende nur noch 30 Herren und zehn Damen im Finale an. Eine Änderung, die wohl auch dem neuen TV-Übertragungspartner geschuldet ist. Das Positive daran: Ab heuer kann man auch die Finalläufe der Juniors live mitverfolgen.

Comeback der Queen

Für die Sensation des Wochenendes und zugleich das Comeback des Jahres sorgte die Queen des Downhillsports, Rachel Atherton. Nach ihrer mehrjährigen Babypause ist die 35-jährige Britin mit einem beeindruckenden Sieg in den Weltcup zurückgekehrt. Platz zwei ging an die Schweizer Lokalmatadorin Camille Balanche, Dritte wurde die nach einem heftigen Trainingssturz angeschlagene Deutsche Nina Hoffmann. Hinter Vali Höll landete die Französin Marine auf dem fünften Platz.

Während sich bei den Damen mit Atherton die Veteranin durchgesetzt hat, zeichnete sich bei den Herren ein Generationenwechsel ab. Und mittendrin, statt nur dabei ist der Schladminger Andreas Kolb. Nach seiner Fabelsaison 2022 ließ er zum Saisonstart im Qualifying (Platz eins) und Semifinale (Platz zwei) aufhorchen. Ausgerechnet im Finale passierte ihm dann aber ein ärgerliches Missgeschick. "Nach 20, 30 Sekunden auf der Strecke ist mir ein Fehler in der Linienführung passiert. Ich bin zu schnell in eine Kurve, und dann ist mir das Vorderrad weggerutscht", erzählte er vom Sturz, der ihn womöglich den Sieg kostete. Was genau passiert ist, müsse er selbst noch analysieren, denn leider gibt es kein Video von Kolbs Ausrutscher.

Jugend dominiert bei Herren

Dank der Punkte, die im Quali und Semifinale vergeben werden, musste der Steirer die Schweiz aber nicht mit leerem Konto verlassen. "Ich bin derzeit auf Platz acht im Gesamtklassement. In Leogang greife ich wieder an", gibt sich Kolb kämpferisch. Doch die Konkurrenz ist enorm, wie das erste Rennen zeigte. Und vor allem die Youngsters schickten sich an, den Routiniers um die Ohren zu fahren.

Andreas Kolb beim Downhillrennen
Andreas Kolb ist aktuell auf dem achten Platz, gibt sich aber kämpferisch.
Nathan Hughes

Für die größte Überraschung sorgte der Brite Jordan Williams. Er fuhr in seinem ersten Weltcup-Elite Rennen im Alter von nur 18 Jahren souverän den Sieg ein. Und zwar mit einer halben Sekunde Vorsprung auf den Franzosen Loris Vergier. Platz drei ging an den alten Hasen Loïc Bruni, ebenfalls aus Frankreich, und Teamkollege von Williams bei Specialized. Platz vier holte sich der Brite Laurie Greenland, und Platz fünf ging an die kanadische Zukunftshoffnung Finn Iles. Am starken sechsten Platz landete nach Williams ein weiterer Teenager: Hardline-2022-Sieger Jackson Goldstone.

Schwere Stürze und Altstars

Der französische Seriensieger der vergangenen Jahre, Amaury Pierron, musste nach einem heftigen Trainingssturz das Finale auslassen. Auch den Altstar Aaron Gwin erwischte es heftig, und er musste mit bandagiertem Arm das Rennen als Zuseher mitverfolgen. Leider verpasste auch die Legende Sam Hill bei seinem Downhill-Weltcup-Comeback das Finale. Besonders bitter aus österreichsicher Sicht: Der frisch gebackene Staatsmeister David Trummer musste wegen eines akuten Bandscheibenvorfalls frühzeitig aufgeben. Er bereitet sich nun auf eine unvermeidliche OP vor und hofft, in der zweiten Saisonhälfte wieder zurück im Weltcup zu sein.

David Trummer beim Downhillrennen
David Trummer hatte einen Bandscheibenvorfall und bereitet sich auf die OP vor.
Nathan Hughes

Damit verpasst Trummer auch den Heimweltcup in Leogang am kommenden Wochenende. Dort krönte er sich 2020 in einer unvergessenen Gatschpartie zum Vizeweltmeister. Diesmal muss er zusehen und wird seinem Landsmann Kolb die Daumen drücken. Der hofft, in Salzburg direkt an die Leistungen von Lenzerheide anschließen zu können. "Leogang liegt mir eigentlich mehr. Die Strecke in der Schweiz war extrem am Limit, was die Geschwindigkeit angeht. Ich mag es eher steil und technisch", erklärt Kolb.

Vorfreude auf Leogang und Schladming

Doch die Konkurrenz ist enorm, wie Kolb weiß: "Jordan Williams hat gleich im ersten Rennen geliefert und wird jetzt völlig ohne Druck fahren können." Er selbst kommt mit viel Selbstvertrauen nach Leogang, wie er sagt: "Die Leistung in der Schweiz hat gepasst, normalerweise bin ich zu Saisonbeginn nicht ganz vorn dabei gewesen."

Wer Andreas Kolb und sein Team, die Athertons, höchstpersönlich treffen will, sollte nach dem Leogang-Wochenende in Schladming vorbeischauen. Dort wird sich das Team auf den nächsten Weltcup vorbereiten. Kolb freut sich schon sehr darauf, mit dem ganzen Tross in seiner Heimatstadt Station zu machen: "Ob Rachel mitkommt, ist noch offen, aber alle anderen sind dabei." Nur Crankworx Innsbruck, das von 21. bis 25. Juni auf dem Rennprogramm steht, wird Kolb heuer schweren Herzens auslassen: "Vor allem der Dual Slalom taugt mir sehr, aber es ist diesmal einfach zu knapp mit dem Weltcup Kalender." (Steffen Kanduth, 14.6.2023)