Ganz so grün, wie der Michaelerplatz zu Zeiten der Habsburger einmal war, wird er so schnell wohl nicht mehr. Aber gewisse Anknüpfungspunkte an den einst dort befindlichen Lustgarten lässt das, was zwischen Hofburg, Michaelerkirche und Looshaus entstehen soll, durchaus erkennen. Neun große Bäume über den Platz verteilt, Pflanzen in fünf Trögen beim Kohlmarkt und Gräser sowie sechs kleinere Bäumen in zwei Beeten entlang der Hofburg sollen dort künftig wachsen. Das gaben Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) und City-Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP) am Donnerstag bekannt. 

Die Bepflanzung ist eine von mehreren Neuerungen, die bis November 2024 umgesetzt werden sollen. Vor dem Looshaus ist ein Wasserspiel mit rund 40 Düsen geplant, dazu kommen fünf Trinkhydranten. Und: Die Verkehrsorganisation wird geändert. Die Fußgängerzone am Kohlmarkt wird bis zur Mitte des Platzes erweitert und reicht künftig bis zur Reitschulgasse. Die übrige Fläche wird zur Begegnungszone. Das heißt: Fußgängerinnen und Fußgänger dürfen dort die Fahrbahn betreten, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit für Autolenkerinnen und Radfahrer sind 20 km/h. Die bestehende Einbahnregelung bleibt.

Eine Visualisierung des Michaelerplatzes in Blickrichtung Hofburg: Künftig soll es dort Bäume, eine Pflasterung und ein Wasserspiel geben. 
Eine gepflasterte Ebene, Bäume und ein Wasserspiel: So soll der Michaelerplatz künftig aussehen.
APA/ZOOM VISUAL PROJECT GMBH

Für letztere beide Gruppen – und auch für Menschen mit Rollstuhl oder Kinderwagen – wird das Passieren des Platzes künftig weit weniger holprig vonstattengehen als jetzt. Denn das unebene Kopfsteinpflaster wird komplett entfernt und die Fläche auf ein Niveau gebracht. Eine Fahrspur aus Beton ersetzt es von der Herrengasse bis zur Reitschulgasse, im übrigen Bereich sind Pflastersteine vorgesehen. Diese Kombination wurde deshalb gewählt, weil der Michaelerplatz auf einer Fiakerroute liegt – und das Pflaster den Hufeisen auf Dauer nicht standgehalten hätte.

Absage an PPPs

Die Präsentation dieser Eckpunkte markiert den Schlussstrich unter einer jahrelangen Debatte um den Michaelerplatz – und gleichzeitig einen Strategiewechsel bei der Gestaltung öffentlicher Plätze. Erste Rufe nach einem Umbau wurden im Jahr 2018 laut. Eine Initiative begann damals, medienwirksam Ideen zu sammeln. Mit dabei waren unter anderem Wirtschaftskammer, Burghauptmannschaft und Pfarre, angeführt wurde sie vom Wiener Rechtsanwalt Wolfgang Spitzy. Der hat in der Herrengasse sein Büro, ist Vertreter der Eigentümergesellschaft des dortigen Hochhauses und war – auch finanziell – maßgeblich daran beteiligt, dass die Herrengasse heute eine Begegnungszone ist. Eine solche Public-private-Partnership (PPP), bei der Liegenschaftseigentümer und öffentliche Hand gemeinsam eine Umgestaltung bezahlen, regte die Initiative auch für den Michaelerplatz an.

Doch so richtig voran kam das Projekt nicht. Im Lauf der folgenden Jahre war immer wieder von Konzepten zu hören, die an unterschiedlichen Stellen begutachtet würden – und von Fallstricken, die die Angelegenheit verkomplizierten. Da waren etwa Meinungsverschiedenheiten über die Aufteilung der Kosten zwischen Stadt, Bund und Privaten und der Widerstand von Fiakern, die ihre Stände mitten im Touristenstrom zwischen Hofburg und Graben keinesfalls reduziert oder gar gestrichen haben wollten.

Ein Foto des Michaelerplatzes in Blickrichtung Hofburg, wie er 2023 aussieht.
Das Kopfsteinpflaster macht den Michaelerplatz derzeit zu einer Rüttelpiste.
Stefanie Rachbauer

Einen ersten Entwurf veröffentlichte vergangenen Sommer schließlich die Wirtschaftskammer, nach letzten Abstimmungen steht nun das finale Projekt. Die Fiaker müssen sich künftig mit weniger Standplätzen zufriedengeben: Tiere und Kutscher können beim Michaelertor künftig an vier statt an 13 Plätzen auf Kundschaft warten. In der Schauflergasse werden zehn sogenannte Nachrückplätze eingerichtet: Wird einer der vier zentralen Plätze frei, darf ein Fiaker aus der Nebengasse vorfahren. Für die Hinterlassenschaften der Pferde wird ein neues Ablaufsystem eingebaut. Das soll eine "Geruchsbelastung, wie sie im Sommer doch immer wieder zu spüren war", verhindern, erklärte Sima.

Finanziell sieht die Lösung nun so aus: Zu den geschätzten Gesamtkosten von 8,5 Millionen Euro steuern Private laut Sima rund 800.000 Euro bei, den Rest bezahlt die Stadt. Dann soll mit PPPs aber Schluss sein: Für derartige Kooperationen sei im ersten Bezirk kein Potenzial mehr, erklärten Sima und Figl. Und das kam durchaus überraschend. 

Figl: "Will mich nicht erpressen lassen"

In der Vergangenheit wurden in der Inneren Stadt drei Straßenumgestaltungen als klassische PPPs umgesetzt: in der Herrengasse im Jahr 2016 (5,5 Millionen Euro privat finanziert, eine halbe Million von der Stadt), in der Rotenturmstraße im Jahr 2019 (drei Millionen Euro privat finanziert, 8,1 Millionen von der Stadt) und am bzw. um den Petersplatz im Jahr 2022 (ca. je 3,5 Millionen Euro privat und von der Stadt finanziert). Neben der Herrengasse war Spitzy auch beim Petersplatz involviert. In anderen Bezirken gibt es laut Sima keine PPPs, weil schlicht finanzkräftige Investoren fehlten.

Theoretisch kommt das Modell beiden Seiten zugute: Liegenschaftseigentümer profitieren von einer Wertsteigerung durch eine attraktive Straßengestaltung – und bezahlen sie auch mit. Die Stadt wiederum spart sich Kosten, kann aber ansprechendere öffentliche Räume für die Allgemeinheit bereitstellen. In der Praxis stieß Wien nun aber offenbar auf Hürden. Über die bisherigen Beiträge der Privaten sei man sehr froh und dankbar, beteuerten sowohl Stadträtin als auch Bezirkschef. Aber: "Ich möchte mir vorbehalten, welche Plätze wir in Angriff nehmen. Wichtig ist, dass wir auch da investieren, wo es keine private Anschubfinanzierung gibt", sagte Sima. Bei einem privaten Finanzierungsanteil von lediglich zehn Prozent wie nun beim Michaelerplatz gehe es auch irgendwann um Verteilungsgerechtigkeit.

Eine Visualisierung des Michaelerplatzes mit Blick auf die Hofburg: Künftig sollen dort neun große Bäume wachsen.
Neun große Bäume sollen künftig auf dem Michaelerplatz wachsen. Damit sie das Gewölbe unter der Oberfläche trägt, werden sie von unten abgestützt.
APA/ZOOM VISUAL PROJECT GMBH

Das heißt im Klartext: Wien reagiert auf ein wesentliches Risiko, das PPPs mit sich bringen - nämlich dass sich Finanzstarke einen nach ihren Bedürfnissen gestalteten öffentlichen Raum kaufen, frei nach dem Motto "Wer zahlt, schafft an". Genau darauf spielt Figl an, wenn er zum STANDARD sagt: "Ich möchte mich nicht mehr erpressen lassen." Besonders stört sich der Bezirkschef daran, wenn private Initiativen selbst an die Öffentlichkeit gehen und in der Bevölkerung Erwartungen wecken, wie aus seiner Sicht zuletzt beim Michaelerplatz: "Wenn das dann so nicht umgesetzt wird, gibt es Enttäuschungen." 

Sind PPPs in Wien also ein komplettes Auslaufmodell? Nicht ganz. Denn zwischen dem Gesagten klingt bei Sima und Figl durch: Ausschlaggebend sind die Protagonisten bzw. wie umsichtig sie auftreten – oder eben nicht.  

Sichtachsen und Hollein-Gestaltung bleiben

Behutsam musste beim Michaelerplatz übrigens auch die Stadt vorgehen – und zwar wegen des Denkmalschutzes. Seitens des Denkmalamts gab es zwei Bedingungen für die Umgestaltung. Erstens: Die Sichtachsen zwischen Kohlmarkt und Hofburg müssen freigehalten werden. Zweitens: Der gepflasterte, kreisförmige Bereich samt freigelegten Ausgrabungen in der Mitte des Platzes darf nicht verändert werden. Konzipiert wurde die Fläche von Hans Hollein, einem der bedeutendsten österreichischen Architekten des 20. Jahrhunderts, seit 2022 steht sie unter Denkmalschutz.

Ein Foto von einer ausgegrabenen Mauer, die einst den Lustgarten der Habsburger am Michaelerplatz begrenzte. 
Die Reste des Lustgartens: Von der kleinen Oase der Habsburger ist noch eine L-förmige Begrenzungsmauer übrig.
Stefanie Rachbauer

Somit ist der Rahmen für die letzte physisch vorhandene Erinnerung an den Lustgarten gesichert: Von der Mauer, die ihn einst umgab, ist im Ausgrabungsfeld an der Ecke zur Reitschulgasse bis heute ein L-förmiger Rest zu sehen. (Stefanie Rachbauer, 15.6.2023)