Tizza Covi und Vera Gemma waren (neben Co-Regisseur Rainer Frimmel) strahlende Gewinnerinnen.
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Beim Donnerstagabend verliehenen Österreichischen Filmpreis konnten sich Tizza Covi und Rainer Frimmel mit ihrem wunderbaren Film Vera durchsetzen, nachdem sie bereits letztes Jahr den Dokumentarfilmpreis für Nachrichten aus der Unterwelt gewonnen hatten. Zusätzlich hat Covi den Preis für den besten Schnitt abgeräumt.

Ein weiterer Gewinner des Abends war David Wagners Filmdebüt Eismayer, das in allen vier nominierten Kategorien reüssierte, darunter die Preise für den besten Haupt- und Nebendarsteller für Gerhard Liebmann und Luka Dimić, die das reale Bundesheerliebespaar Charles Eismayer und Mario Falak verkörperten. Das achtfach nominierte Sisi-Drama Corsage konnte vier Kategorien für sich entscheiden: Maske, Kostüm, Kamera und als Hauptdarstellerin Vicky Krieps.

Neue Missbrauchsvorwürfe

Anstelle von Krieps nahm Regisseurin Marie Kreutzer den Schauspielpreis entgegen. In ihrer Rede, die sie bereits auf Instagram veröffentlicht hatte, verteidigte sie die Einreichung von Corsage, da ihr nahegelegt worden sei, den Film wegen der Rolle Florian Teichtmeisters aus dem Rennen zurückzuziehen. Dann ging sie in die Offensive: "Statistisch gesehen muss es in jedem Team eine Person – wahrscheinlich männlich – geben, die Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern konsumiert, sowie mindestens eine Person – wahrscheinlich männlich –, die im beruflichen oder privaten Umfeld übergriffig oder gewalttätig ist."

Bekannt seien etwa ein Regisseur, der sich in einer Oralsexszene als Penisdouble zur Verfügung stellte, damit die Szene realer wirke; ein Darsteller, der bei der Maskenbildnerin onanierte; und ein Schauspieler, der trotz gerichtlicher Wegweisung durch die Partnerin eine Hauptrolle bekam. Namen nannte sie nicht – somit sind wieder Fälle publik geworden, die wohl schon lange hinter den Filmkulissen gegärt haben.

Mit Nachdruck betonte außerdem Corsage-Maskenbildnerin Helene Lang bei ihrer Preisrede, dass oft Respektlosigkeit gegenüber den Berufen Maske und Garderobe herrsche, "zufällig frauendominierte Filmberufe": Das sei "extrem würdelos und demotivierend, das sollte nicht die Normalität sein".

Teil 1 der neuen MeToo-Anschuldigungen von Marie Kreutzer
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Teil 2
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Causa Teichtmeister

Dass die Kultur des Wegschauens passé sei und stattdessen eine Kultur des Hinschauens "geübt" werden müsse, versicherten auch die Vorsitzenden der Akademie des Österreichischen Films, Schauspielerin Verena Altenberger und Produzent Arash T. Riahi. Ein zu Beginn verlesenes Statement der mittlerweile 600 Mitglieder zählenden Akademie thematisierte die Nominierung der zwei Filme, an denen Florian Teichtmeister mitwirkte: Neben Corsage war das Ruth Maders Serviam – Ich will dienen. Letzterer spielt in einem katholischen Mädcheninternat, auf dem Set hat Teichtmeister ein Foto einer minderjährigen Darstellerin angefertigt, das später in seinen sexualisierten Collagen gefunden wurde.

ZIB 3: Die Gewinner der Filmpreise
Die Akademie des Österreichischen Films vergab im Rahmen einer Gala den Österreichischen Filmpreis 2023. In der Königsklasse holte sich der Film Vera den Preis.
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Während drinnen die Filmpreisgala stattfand, versammelte sich vor dem Eingang zur Marx-Halle eine kleine "Kundgebung gegen Verharmlosung des Kindermissbrauchs durch Politik und Justiz". Die Rufe hörte man teils in den Saal hinein. Das wirft die Frage auf, wann der Prozess gegen Teichtmeister nun stattfinden wird.

Positive Nachrichten, gelungene Gala

Aber es wurde auch Positives berichtet: Die Kinobesuchszahlen nähern sich dem Vor-Covid-Niveau, und das Nonstop-Kino-Abo sei vor allem bei jungen Leuten ein Erfolg. Außerdem ist ein umfassendes Kinderschutzkonzept in Arbeit, und die Frauenquote sei bei den Förderzusagen des Österreichischen Filminstituts erstmals erreicht worden.

Während der Zeremonie wurde gegendert, und die Preise wurden von Filmarbeitern und Filmarbeiterinnen aus den hinteren Reihen vergeben. Das wirkte gar nicht allzu, sondern ehrlich bemüht. Auch die Moderation von Julia Jelinek und Thomas Mraz sowie die Gesangseinlagen der Gesangskapelle Hermann und Anna Mabo waren charmant in ihrer Aufgabe, die Reden der Preisträgerinnen und Preisträger einzuleiten oder abzukürzen.

Regisseurin Tizza Covi, Schauspielerin Vera Gemma und Regisseur Rainer Frimmel waren die Hauptgewinner des Abends: Bester Film, beste Regie, bester Schnitt
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Regisseurin Marie Kreutzer nahm den Preis für Vicky Krieps entgegen und verlas neue MeToo-Fälle
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Judith Kaufmann gewann für "Corsage" Beste Kamera
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Schauspielerin Gerti Drassl gewann die beste weibliche Nebenrolle für "Märzengrund"
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Die beste männliche Nebenrolleging an Luka Dimic für Eismayer
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Ebenso wie die beste männliche Hauptrolle an Gerhard Liebmann
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Der Neo-Regisseur David Wagner gewann für sein Langfilmdebüt "Eismayer" den Drehbuchpreis
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Eva Klampfer (Beste Musik für "Eismayer")
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Der Science-Fiction "Rubikon" von Leni Lauritsch konnte das beste Szenebild (Johannes Mücke, oben) und den besten Sound für sich gewinnen.
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Verantwortlich für den gelungenen Abend unter dem Motto "Durch Nacht zum Licht" zeichnete die österreichisch-argentinische Regisseurin Catalina Molina, die sich am Ende noch einmal zu Wort meldete. Es gehe darum, sich neu zu definieren: "Wer sind wir, wer wollen wir sein?" Molina plädierte für Verständnis für #MeToo-Betroffene und gegen Rassismus. Ihr Augenöffner sei ein Buch von Saša Stanišić gewesen: "Manchmal gehen Lichter an. Plötzlich sieht man etwas, was man nicht sehen wollte. Aber dann ist es da, und dann muss man damit umgehen – bestenfalls konstruktiv." Und es sei doch eigentlich recht einfach, sagte Molina: "Einfach keine Täter, Täterinnen an ein Filmset lassen – dafür ist dieser Ort viel zu kostbar." (Valerie Dirk, 16.6.2023)