Ein Dollar-Schein und ein Yuan liegen übereinander.
Dollar gegen Yuan: Im Globalen Süden gibt es immer öfter Kritik daran, dass der US-Dollar zur Weltwährung erklärt wurde.
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Man kann es als wirtschaftliche Randnotiz abtun oder als einen weiteren Dominostein in einer folgenschweren geopolitischen Entwicklung: Pakistan hat diese Woche erstmals eine Lieferung russischen Öls in chinesischen Yuan bezahlt. Vor rund einer Woche lief ein aus Russland kommender Tanker in der Hafenstadt Karachi ein und begann, 45.000 Tonnen Öl der Sorte Ural zu entladen. Weitere 55.000 Tonnen sollen unterwegs sein.

Dazu muss man wissen, dass der Staat mit seinen 230 Millionen Einwohnern derzeit in einer ernsten Wirtschaftskrise steckt. Islamabad hat Probleme, seine Schulden zu bedienen, von denen ein Großteil bei China liegt. Pakistan hatte sich bei Peking im Rahmen der Neuen Seidenstraße für große Infrastrukturprojekte verschuldet. Da die Nuklearmacht in Zahlungsschwierigkeit steckt, ist russisches Erdöl (das derzeit mit Discount nach China, Indien und andere Länder des Globalen Südens geliefert wird) attraktiv. Dass dieses Öl aber nicht mit US-Dollar, sondern mit chinesischen Yuan bezahlt wird, ohne dass dabei China direkt involviert ist, stellt ein Novum dar, das an den Grundfesten der Wirtschaftsordnung der vergangenen Jahrzehnte kratzt.

Gegen das Petro-Dollar-System

Das sogenannte Petro-Dollar-System ist seit den Siebziger Jahren in Kraft. Nach der Öl-Krise zimmerten die USA mit dem damals größten Erdöl-Produzenten Saudi-Arabien einen Deal. Der bestand darin, Öl künftig nur noch in US-Dollar abzurechnen. Dafür erhielt das Königtum militärischen Schutz und modernste Waffen. Überschüsse investierten die Saudis darüber hinaus in amerikanische Staatsanleihen. Dass der wichtigste Rohstoff der Weltwirtschaft, Rohöl, bald von allen Staaten nur noch in amerikanischen Dollar berechnet wurde, etablierte sich dieser als globale Reservewährung - mit "exorbitanten Privilegien" für die USA, wie es der ehemalige französische Präsident Giscard d’Estaing einmal nannte: Washington kann als einziges Land der Welt unbegrenzt Energie einkaufen, kann es die Währung dafür doch selbst "drucken". Zudem können die USA mittlerweile über das Swift-System Staaten disziplinieren, indem sie sie vom Dollar-Fluss abschneiden.

Dieses System gerät nun zunehmend ins Wanken. China und Russland ist die Dollar-Hegemonie schon länger ein Dorn im Auge. Erklärtes Ziel von Putin und Xi ist ein "multipolares Währungssystem". Nicht nur die Sanktionen gegen Russland im Zuge der Invasion der Ukraine haben diese Entwicklung beschleunigt. Auch die vom Westen propagierte Energie-Wende stößt vielen OPEC-Staaten auf, da sie ihre Bedeutung schwinden sehen. Sie suchen nach neuen Partnern. So vereinbarten Saudi-Arabien und China im März 2022, einen Teil des saudischen Öls in Yuan abzurechnen.

Neue Abhängigkeiten

Im Globalen Süden wiederum fürchtet man die Macht des Dollars zum Beispiel in Form höherer Zinsen. Erhöht die amerikanische Zentralbank wie aktuell seit 2022 die Leitzinsen, fließt Kapital auf Suche nach sicherer Rendite aus Schwellenländern ab in die USA. Dieser Prozess löst regelmäßig Schulden- und Wirtschaftskrisen aus. Zudem ist China mittlerweile für viele dieser Länder der wichtigere Handelspartner. Der brasilianische Präsident Lula beklagte bei seinem vergangenen Peking-Besuch im April, ihn treibe jede Nacht die Frage um: Warum müssen wir in US-Dollar handeln und nicht in unseren eigenen Währungen? Und der kenianische Präsident William Ruto rief vor wenigen Tagen in einer Rede vor dem Parlament in Dschibuti alle afrikanischen Staaten dazu auf, auf den Dollar zu verzichten und in eigenen Währungen zu handeln.

Hier aber gehen die Probleme los: In eigener Währung handeln kann nur, wer genügend Waren miteinander tauscht. Defizite müssen irgendwie notiert und ausgeglichen werden. Dafür eignete sich der US-Dollar bisher am besten. Der chinesische Yuan ist nicht frei handelbar, und sollte er sich wirklich als Alternative zum Dollar etablieren, entstehen neue Abhängigkeiten. Die Außenministerin Pakistans, Hina Rabbani Khar, bat deswegen in einem Interview mit dem Magazin "Politico", "das Land nicht vor die Entscheidung China oder USA zu stellen". (Philipp Mattheis, 18.6.2023)