US-Außenminister Antony Blinken (links im Bild) traf am Montag den chinesischen Präsidenten Xi Jinping.
US-Außenminister Antony Blinken (links im Bild) traf am Montag den chinesischen Präsidenten Xi Jinping.
APA/AFP/POOL/LEAH MILLIS

Peking – Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sieht durch die Gespräche mit US-Außenminister Antony Blinken "Fortschritte" im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten. Die beiden Seiten hätten "Übereinstimmung in bestimmten Fragen erzielt", sagte Xi am Montag in Peking bei einem überraschenden Treffen mit Blinken. "Das ist sehr gut." Das chinesische Staatsfernsehen zeigte Bilder des Treffens. Das bilaterale Verhältnis ist wegen einer Reihe von Streitpunkten seit längerem angespannt.

Xi hofft auf "positiven Beitrag zur Stabilisierung"

Blinken habe lange, freimütige und tiefgehende Gespräche mit dem obersten Außenpolitiker Wang Yi und Außenminister Qin Gang geführt, sagte der Präsident. Beide Seiten hätten ihre Positionen deutlich gemacht und vereinbart, Vereinbarungen umzusetzen, die er bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden im November auf der indonesischen Insel Bali erreicht habe. Dort fand damals der Gipfel der G20-Staaten großer Industrie- und Schwellenmächte statt.

Interaktionen zwischen Staaten sollten immer auf der Grundlage gegenseitigen Respekts und Ernsthaftigkeit stattfinden, sagte Xi Jinping. "Ich hoffe, dass Außenminister Blinken durch seinen Besuch einen positiven Beitrag zur Stabilisierung der Beziehungen zwischen China und den USA leisten kann." Der Besuch Blinkens ist der erste Aufenthalt eines US-Außenministers in China seit 2018.

Blinken ist der ranghöchste Besucher aus den USA seit dem Amtsantritt von Biden im Jänner 2021. Die beiden Seiten streiten unter anderem über Handelsfragen, die chinesische Rückendeckung für den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, Chinas Territorialansprüche im Südchinesischen Meer und dessen Drohungen gegenüber der demokratischen Inselrepublik Taiwan.

China wirft den USA eine "falsche Wahrnehmung" vor

Bei seinem Treffen mit dem US-Außenminister nahm sich der chinesische Spitzenpolitiker Wang Yi kein Blatt vor den Mund. Er warf den USA eine "falsche Wahrnehmung" seines Landes vor, was wiederum zu einer "falschen Politik" gegenüber der Volksrepublik führe. Blinkens Besuch komme zu einem kritischen Zeitpunkt: "Es ist notwendig, sich zwischen Dialog oder Konfrontation, Kooperation oder Konflikt zu entscheiden." Der US-Außenminister hatte schon im Februar kommen wollen. Wegen eines mutmaßlichen chinesischen Spionageballons über den USA sagte er kurzfristig ab.

Die USA müssten sich in ihrem Verhältnis zu China "zwischen Dialog und Konfrontation, zwischen Zusammenarbeit oder Konflikt" entscheiden, sagte Wang. Die "Abwärtsspirale" der bilateralen Beziehungen müsse gestoppt und das Verhältnis wieder auf einen "gesunden und stabilen Weg" gebracht werden. Die beiden Seiten müssten zusammenarbeiten, um einen "korrekten Weg zu finden, wie China und die USA miteinander auskommen können".

Wang forderte von den USA, damit aufzuhören, die "Theorie einer Bedrohung durch China" aufzubauschen. Auch müssten sie "illegale einseitige Sanktionen" aufheben und die "Unterdrückung der technologischen Entwicklung" seines Landes beenden. Ferner dürften sich die USA nicht länger in Chinas innere Angelegenheiten einmischen.

US-Außenminister Antony Blinken bei einem Zusammentreffen mit dem chinesischen Spitzenpolitiker Wang Yi.
US-Außenminister Antony Blinken (links im Bild) bei einem Zusammentreffen mit dem chinesischen Spitzenpolitiker Wang Yi.
APA/AFP/POOL/LEAH MILLIS

Besonders in der Taiwan-Frage gebe es für China "keinen Raum für Kompromisse", betonte der einstige Außenminister. Die USA müssten sich treu an den Ein-China-Grundsatz halten, ihre eingegangenen Verpflichtungen gegenüber Peking einhalten, Chinas Souveränität und territoriale Integrität respektieren und eine Unabhängigkeit Taiwans eindeutig ablehnen. Er bezog sich damit auf die Unterstützung der USA für die Insel. Die USA haben sich schon 1979 der Verteidigungsfähigkeit Taiwans verpflichtet, was bisher meist Waffenlieferungen bedeutete.

China betrachtet die demokratische Inselrepublik aber als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Unter Ein-China-Politik wird gemeinhin verstanden, dass Peking als einzig legitime Regierung anerkannt wird. Taiwan hat hingegen seit mehr als sieben Jahrzehnten eine eigenständige Regierung und den Anspruch längst aufgegeben, ganz China repräsentieren zu wollen. Mit dem Ein-China-Grundsatz versucht Peking seinerseits, Taiwan international zu isolieren.

Verhältnis auf Tiefpunkt

Am Sonntag hatte Blinken laut US-Berichten siebeneinhalb Stunden mit seinem Amtskollegen gesprochen – und damit viel länger als geplant. Der US-Außenminister lud Qin Gang auch zu einem Gegenbesuch nach Washington ein. Beide Seiten beschrieben die Gespräche im Anschluss in offiziellen Stellungnahmen weitgehend übereinstimmend als freimütig, tiefgehend und konstruktiv. Der chinesische Außenminister sah das gegenseitige Verhältnis allerdings "auf dem tiefsten Punkt" seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1979.

Blinken sprach dem US-Außenministerium zufolge eine Reihe von konfliktbehafteten Themen an, aber auch Bereiche, in denen China und die Vereinigten Staaten zusammenarbeiten könnten. Er habe in dem Gespräch mit Qin Gang bekräftigt, dass die USA eine Vision einer Welt verfolgten, "die frei und offen ist und die auf internationalen Regeln basierende Ordnung aufrechterhält". Sein Amtskollege sagte, China wolle "stabile, vorhersehbare und konstruktive" Beziehungen und hoffe, dass die USA "in die gleiche Richtung arbeiten". 

Kanäle für Krisenkommunikation und Militärkontakte

Laut Blinken sind sich China und die USA einig, dass ihre angeschlagenen Beziehungen stabilisiert werden müssen. Zum Abschluss seiner Gespräche in Peking sagte Blinken am Montag vor Journalisten, er habe betont, dass direkter Umgang und anhaltende Kommunikation der beste Weg seien, "um verantwortlich mit Differenzen umzugehen und sicherzustellen, dass Wettbewerb nicht in Konflikt abdreht".

China habe sich aber weiter geweigert, Kanäle für Krisenkommunikation und Militärkontakte einzurichten, wozu er mehrfach während seiner Gespräche gemahnt habe. "Bis zu diesem Moment ist China nicht bereit, damit voranzugehen", sagte Blinken. (APA, 19.6.2023)