Ein Bild des Sees im Pannonischen Becken
So sah der See aus, der einst das Pannonische Becken beherrschte.
NHM Wien, Mathias Harzhauser

Wo sich heute das pannonische Feld erstreckt, lag vor etwa elf Millionen Jahren ein See, halb so groß wie das Schwarze Meer und tausend Meter tief. Funde aus der Vergangenheit belegen, dass er über einen Zeitraum von etwa fünf Millionen Jahren existierte, ein Biodiversitätshotspot war und einst sogar eine Verbindung zum Meer hatte.

Zurück blieben dicke Ablagerungen, die sich auch heute noch unter Wien finden lassen. U-Bahn-Bauarbeiten gaben Forschenden des Naturhistorischen Museums in Wien die Gelegenheit, drei Bohrungen durchzuführen und diese Sedimente genauer zu untersuchen.

Röhrchen aus Pyrit
Die winzigen Pyrit-Röhrchen sind nur wenige Millimeter lang. In den Schichten, in denen sie gefunden wurden, fehlten andere Fossilien.
NHM Wien, Mathias Harzhauser

Fehlende Fossilien

In manchen Schichten fanden sich, wie schon bei früheren Untersuchungen, zahlreiche Spuren von Lebewesen der damaligen Zeit. Doch anderswo gab es meterdicke Schichten, in denen die Fossilien fehlten. Stattdessen fand man dort seltsame Röhrchen aus dem Material Pyrit, das Mineralogie-Interessierten vor allem wegen seines goldenen Glanzes ein Begriff ist.

Wie sie entstanden, war aber bislang nicht klar. Eine nun im Fachjournal "Communications Earth & Environment" publizierte Studie wartet mit einer Erklärung auf.

Die Bohrkerne in einem Lager des Wiener Naturhistorischen Museums.
NHM Wien, Mathias Harzhauser

Kanäle für Methan

Verantwortlich waren demnach Mikroorganismen, die sich von Methan ernährten, berichtet der Leiter des Forschungsteams, Zhiyong Lin vom Zentrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg. "Die röhrenförmigen Strukturen entstanden wahrscheinlich entlang winziger Kanäle, an denen das Gas durch den Schlamm nach oben drang", sagt Lin. Der Prozess war anaerob, es war also kein molekularer Sauerstoff dazu nötig. Das Methan selbst stammte von Ausscheidungen anderer Mikroorganismen. Auch die in der Vergangenheit vorhandene Verbindung zum Meer spielte eine Rolle, wie es in der Studie heißt. Die im Wasser vorhandenen Sulfate ähnelten jenen von Ozeanen.

Pyritkügelchen unter dem Mikroskop
Detailaufnahmen der Funde unter dem Mikroskop.
Zhiyong Lin, Universität Hamburg

Es handelte sich also um eine Lebensgemeinschaft verschiedener Organismen, wie Mathias Harzhauser, Direktor der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums, erklärt. Während Methan in der Atmosphäre als Treibhausgas gefürchtet ist, dient es bestimmten Mikroorganismen als Nahrung. "Das funktioniert aber nur, wenn der Lebensraum völlig sauerstofffrei ist", betont Harzhauser. Das erkläre, warum in den Schichten mit den Pyrit-Röhrchen auch keine anderen Fossilien gefunden wurden. "Was daher für die meisten Organismen eine lebensfeindliche Todeszone war, erwies sich für diese Gruppe von Mikroorganismen als Paradies", sagt Harzhauser. (rkl, 19.6.2023)