Dabaab, das größte Flüchtlingscamp der Welt.
Dabaab, das größte Flüchtlingscamp der Welt.
APA/AFP/BOBB MURIITHI

Dass der heutige Weltflüchtlingstag, zu dem die Uno vor 22 Jahren erstmals ausgerufen hat, jährlich an Bedeutung gewinnt, dafür sprechen bedauerlicherweise die Zahlen: Aktuell sind auf der Welt mehr als 110 Millionen Menschen auf der Flucht. Oder anders gesagt: Eine von 74 Personen weltweit wurde vertrieben. Das sind doppelt so viele wie vor zehn Jahren.

Vor allem im Vorjahr sind bei den Flüchtlingszahlen so massive Anstiege registriert worden wie noch nie: Demnach wurden im Jahr 2022 weitere 19,1 Millionen Menschen durch Konflikte (insbesondere den Ukrainekrieg), Verfolgung, Hunger und Klimakrise aus ihrer Heimat vertrieben. Ein Groß der Vertriebenen sucht Zuflucht innerhalb der eigenen Landesgrenzen, der kleinere Anteil – immerhin 35 Millionen Menschen – erhofft sich im Ausland Perspektiven für Sicherheit und Zukunft. Zumeist in wenig entwickelten Ländern, deren jeweiliges Inlandsprodukt denen der reichen Industrieländer weit hinterherhinkt.

UN fordern mehr Lösungen für Flüchtlinge

Anlässlich des Weltflüchtlingstags, der jährlich am 20. Juni abgehalten wird, fordern die Uno und Hilfsorganisationen daher mehr Schutz und Hilfe für Menschen auf der Flucht. Flüchtlinge verdienten "nicht Zurückweisung an den Grenzen oder geschlossene Grenzen", sondern "unsere ganze Unterstützung und Solidarität", sagte UN-Generalsekretär António Guterres. 

Bei Menschen auf der Flucht handle sich um Frauen, Kinder und Männer, die auf der schwierigen Reise häufig Gewalt, Ausbeutung, Diskriminierung und Missbrauch ausgesetzt seien, erklärte Guterres in seiner Aussendung. Der UN-Generalsekretär forderte daher einmal mehr Lösungen für Neuansiedlungen von Flüchtlingen und mehr Unterstützung für die Aufnahmeländer.

Caritas kritisiert geplante Verschärfung von EU-Asylregeln

Die Caritas warnte anlässlich des Weltflüchtlingstags eindringlich vor den EU-Plänen in der gemeinsamen Asylpolitik. Wichtige menschenrechtliche Garantien und humanitäre Erwägungen würden dabei außer Acht gelassen. "Die aktuell diskutierten Maßnahmen sollen gegen Schlepper wirken. Sie richten sich aber vielmehr gegen jene Menschen, die Schutz suchen", kritisierte Caritas-Präsident Michael Landau und forderte sichere, legale Fluchtwege und faire, qualitätsvolle Verfahren.

Zudem solle die EU angesichts der zahlreichen Toten im Mittelmeer über "so etwas wie eine gemeinsame europäische Such- und Rettungsmission auf dem Mittelmeer" reden. Diese Forderungen hat in den vergangenen Tagen bedauerlicherweise erneut durch eine reale Tragödie an Relevanz gewonnen: Vor knapp einer Woche ist ein mit 500 bis 700 Migranten völlig überfüllter Fischkutter auf dem Weg von Afrika nach Europa in griechischen Gewässern gesunken. Nur 104 Passagiere konnten gerettet werden, obwohl die griechische Küstenwache das Boot beobachtete.  

Auch beim Umgang mit Geflüchteten in Österreich sieht die Caritas nach wie vor Mängel. Konkret fordert die Hilfsorganisation eine Reform der Grundversorgung sowie eine Verlängerung des EU-weiten Aufenthaltsstatus für Vertriebene aus der Ukraine, der im März 2024 ausläuft. Die rund 50.700 nach Österreich geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern sollten zudem von der Grundversorgung in die Sozialhilfe mit einer entsprechenden Anbindung an das AMS überführt werden. Ein Umdenken fordert die Caritas auch bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt, damit könne der akute Arbeitskräftemangel entschärft und das Asylsystem entlastet werden, so Landau.

Helfer fordern mehr Hilfen

Die Hilfsorganisation Care kritisierte anlässlich des Weltflüchtlingstags die zu geringe internationale Flüchtlingshilfe seit Jahresbeginn. Nur 22 Prozent der vorgesehenen Mittel für die globale Flüchtlingshilfe seien derzeit gedeckt. Gefordert wurde eine unverzügliche Aufstockung angesichts der Rekordzahlen von Vertriebenen weltweit.

Im größten Flüchtlingscamp der Welt, im kenianischen Dadaab, erhalte bereits jetzt wegen Mittelkürzungen jeder Flüchtling nur noch 80 Prozent der empfohlenen Lebensmittelrationen, warnt die Hilfsorganisation. Ohne ausreichende Finanzierung drohen die Rationen noch weniger zu werden. "Die Aufmerksamkeit der Medien nimmt ab, und die Spenden versiegen. Viele Familien in Dadaab gehen jede Nacht hungrig zu Bett", so Andrea Barschdorf-Hager, Geschäftsführerin von Care Österreich.

Licht für die Welt wies anlässlich des Weltflüchtlingstags auf die schwierige Situation von Menschen mit Behinderung auf der Flucht hin. "Eine von sechs Personen, die vor den Kämpfen im Sudan flieht und im Südsudan Schutz sucht, hat eine Behinderung. Diese Personen brauchen gezielte Hilfe. Denn oft werden Menschen mit Behinderungen auf der Flucht übersehen", appelliert Julia Moser, Geschäftsführerin von Licht für die Welt Österreich, in einer Aussendung. (fmo, APA, 20.6.2023)