Noch ist die Entwicklung nicht flächendeckend, aber der Trend ist für all jene, die sich mit den Gegebenheiten in den heimischen Bergen intensiver befassen, eindeutig: Der Erhalt und die Bewirtschaftung von Schutzhütten wird zusehends schwieriger, zahlreiche Hütten bleiben – zumindest temporär – geschlossen. Damit bröckelt freilich auch ein wichtiger Teil der touristischen Sommerinfrastruktur in den Alpen weg. Neben der ursprünglichen Schutzfunktion für Alpinisten und Alpinistinnen sind viele Häuser längst auch zu Bergurlaub-Ausflugszielen geworden.

Die Rieder Hütte mit Gästen aus Bierbänken bei blauem Himmel.
Für die Rieder Hütte im Höllengebirge werden ab Mai 2024 neue Hüttenwirtsleute gesucht

Die Ursachen für die Probleme beim Erhalt und der Bewirtschaftung sind mannigfaltig. Da ist einmal der Klimawandel: Die Fundamente einiger hochalpin gelegener Schutzhütten oder Materialseilbahn-Stationen zerbröseln, Zustiege müssen erneuert oder gar mühsam verlegt werden, so beispielsweise bei der Oberwalder Hütte im Glocknergebiet oder der Kürsinger Hütte in der Venedigergruppe.

In anderen Fällen sind die Gebäude selbst einfach in die Jahre gekommen, den Vereinen fehlen aber die Mittel zur Sanierung. Dazu kommen die hohen Kosten für die Versorgung – oft durch Helikopterflüge – und nicht zuletzt der Personalmangel. So manche Hütte wird nur noch von den Pächtern oder Pächterinnen ohne oder mit zu wenigen Hilfskräften bewirtschaftet. Das Ergebnis: Die Wirtsleute geben nach einigen Jahren völlig erschöpft auf. Infolgedessen stehen drei aktuelle (Stand Juni 2023) Beispiele vor Hüttenschließungen:

·Werfener Hütte Einst war die Werfener Hütte am Südrand des Salzburger Tennengebirges ein wichtiger Stützpunkt für große Kletterunternehmungen. Die auf 1967 Meter wie ein Schwalbennest an den Fuß des Hochthrons geklebte Hütte des Österreichischen Touristenklubs (ÖTK) entwickelte sich dann zu einem beliebten Wanderziel für Einheimische wie für Gäste. Jetzt soll "die Werfener" saniert werden, doch dem ÖTK fehlen die Mittel für die Sanierung beziehungsweise den erforderlichen Neubau. Auch der Bau einer Materialseilbahn gestaltet sich schwierig, die Pachtforderungen der anrainenden Bauern sind hoch. Seit heuer ist die Hütte gesperrt, die Bausubstanz ist bereits derart marode, dass Einsturzgefahr besteht. Dazu kommt, dass im unmittelbaren Einzugsbereich des Schutzhauses mit der Thronleiter auch ein wichtiger, aber exponierter Zustieg auf das Tennengebirgsplateau gesperrt werden musste; auch hier dürften dem zuständigen Verein ÖTK die Mittel zur Sanierung der Steiganlage fehlen.

Die Werfener Hütte im Tennengebirge muss grundlegend saniert werden.
Thomas Neuhold

· Neue Bamberger Hütte Ganz anders die Situation auf der neuen Bamberger Hütte auf der Tiroler Seite der Kitzbüheler Alpen. Die auf 1756 Meter gelegene Hütte des Deutschen Alpenvereins (DAV) ist frisch renoviert und in hervorragendem Zustand. In den vergangenen Jahren wurde sie von einem jungen Pächterpärchen zu einem wahren Schmuckstück – auch kulinarisch – ausgebaut. "Die Bamberger" war im Sommer ein beliebtes Wanderziel und im Winter ein ebenso beliebter Skitourenstützpunkt. Nach der vergangenen Wintersaison hat dann das Pächterpärchen völlig erschöpft aufgegeben. Es sei kein geeignetes Personal zu finden gewesen, und zu zweit sei die Hütte auf Dauer nicht zu führen, hieß es bei einem STANDARD-Lokalaugenschein im März. Seit Saisonende ist die DAV-Sektion Bamberg nun verzweifelt auf Pächtersuche; bis dato erfolglos, wie ein Eintrag auf der Homepage des Vereines zeigt.

· Rieder Hütte Aufgegeben hat auch das Pächterpärchen der Rieder Hütte im oberösterreichischen Höllengebirge. Sie sind wie die Leute von der Bamberger Hütte vom Berg ins Tal übersiedelt und führen dort nun einen Gastronomiebetrieb. Seit dieser Saison ist die auf 1765 Meter gelegene Schutzhütte geschlossen – "wegen Umbaumaßnahmen", wie es auf der Website des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) offiziell heißt. Damit entfällt von der Ebensee-Seilbahn aus ein wichtiges Wanderziel.

Warum immer öfter ambitionierte Leute den Hüttenjob hinschmeißen, erklärt Günter Hausjell am eigenen Beispiel. Er kann auf einige Jahre auf einer DAV-Hütte in den Ötztaler Alpen zurückblicken und war zuletzt der männliche Teil des Pächterpärchens auf der Rieder Hütte im Höllengebirge.

Finanziell komme man mit einer Schutzhütte gerade über die Runden, meint Hausjell. Wobei die Pacht, die an den Verein abzuliefern sei, meist das geringere Problem sei. Schlimmer seien "die Nebenkosten", allen voran die Hubschrauberflüge zur Versorgung von abgelegenen Hütten. "Du musst als Pächter meist alles zahlen", sagt Hausjell im STANDARD-Gespräch: "Vom Hubschrauber über das Brennholz, den Rauchfangkehrer bis hin zur Feuerlöscherüberprüfung."

Dazu komme eine Sieben-Tage-Woche, in der man täglich von sechs Uhr in der Früh bis elf Uhr abends arbeite; Nachsatz: "Wenn die Gäste gnädig sind und die Hüttenruhe um zehn Uhr einhalten." Zusätzliches Personal sei kaum zu finden, vorausgesetzt, der Betrieb werfe überhaupt genügend für mehrere Angestellte ab. Hausjell glaubt, dass es auch auf der Rieder-Hütte schwierig werde, neue Pächter zu finden.

Hüttenwirt als Alleskönner

Der Sprecher des Österreichischen Alpenvereins, Peter Neuner, will die Pächtersuche nicht dramatisiert sehen: Das Problem, Hüttenwirtsleute zu finden, sei nicht größer als in anderen Jahren. Doch es sei generell schwierig, Personen zu finden, die sich der Herausforderung stellen. "Auf der einen Seite ist es ein sehr schöner Job, wo man viel mitbekommt, mit Leuten zu tun hat", sagt Neuner. "Aber es wird romantisiert."

Manche hätten das Bild im Kopf, abseits des Alltags ein Aussteigerleben zu führen. "Das stimmt aber nicht. Hüttenwirtsleute müssen Alleskönner sein", betont er. Sie müssten die ganze Gastronomie schmeißen, gleichzeitig auch handwerklich begabt sein und sich mit der Technik auskennen. Wenn mit dem Strom etwas sei, könne man nicht einfach einen Elektriker rufen. Zudem hätten sie wenig freie Tage. Aktuell werden fünf Pächter für AV-Hütten in Österreich gesucht, weitere zwei Hütten brauchen ab dem nächsten Jahr neue Wirtsleute.

Ausweg Ehrenamtliche

Die Salzburger Naturfreunde wiederum kämpfen schon länger mit der vergeblichen Pächtersuche. Nun behilft sich der alpine Verein mit anderen Lösungen, um die Hütten geöffnet zu lassen. So hat das Anton-Proksch-Haus (1590 m) am Su¨drand des Tennengebirges heuer Hüttenwirte auf Zeit.

Wer Interesse hat, das Leben als Wirt oder Wirtin in den Bergen einmal auszuprobieren, kann mit seiner Familie eine Woche oder ein Wochenende auf die Hütte ziehen. Dieser ehrenamtliche Hüttendienst soll als Begleiter des Selbstversorgungskonzepts des Hauses dienen. Den Gästen steht man als zusätzliche kompetente Ansprechperson zur Verfügung, nimmt Wünsche und Anregungen entgegen und erledigt kleinere Aufgaben. So soll ein reibungsloser Betrieb gewährleistet werden.

Die Neue Bamberger Hütte im Grünen Gras.
Die Neue Bamberger Hütte in den Kitzbüheler Alpen ist derzeit geschlossen.
Thomas Neuhold

Das Konzept Selbstbewirtschaftungshütte erproben die Naturfreunde bereits seit 2016 am Leopold-Happisch-Haus (1925 m) im nordwestlichen Teil des Tennengebirges. Die Hütte im Pitschenbergtal war jahrzehntelang verpachtet, sie liegt aber so abgelegen, dass sie nicht mehr kostendeckend zu führen war. Selbstbewirtschaftung bedeutet aber nicht Selbstversorgung. Der Verein stellt die Basisinfrastruktur samt Essen und Trinken zur Verfügung. Gekocht wird abends von den Gästen im Kollektiv. Holz hacken, Toiletten putzen und abwaschen gehört auch zu den Aufgaben der Gäste. Abgerechnet wird danach auf Vertrauensbasis.

Das Happisch-Haus sei inzwischen fertig umgebaut, sagt die Chefin der Salzburger Naturfreunde, Sophia Burtscher. Es gebe keine Lager mehr, nur noch Zwei- bis Fünfbettzimmer. Und das Selbstbewirtschaftungssystem funktioniere auch für den Verein gut: Die Preise für Übernachtung und Lebensmittel seien so kalkuliert, dass sich die Hubschrauberflüge zur Versorgung des Hauses ausgehen. (Thomas Neuhold, Stefanie Ruep, 20.6.2023)