Jennifer Lawrence
Unterwegs als hochkomische Verführerin – wenn sie nicht gerade Kleiderdiebe am Strand vermöbelt: Jennifer Lawrence.
IMAGO/Everett Collection

Die große Zeit der Sexkomödien ist vorbei. Doch diese Woche belebt Oscar-Preisträgerin Jennifer Lawrence das Genre neu, das Ende der 1990er-Jahre mit Apfelkuchenfilmen aufblühte und in Hangovers gipfelte.

Regisseur Gene Stupnitsky ist in No Hard Feelings weit weniger krude unterwegs, spielt seine Geschichte doch im beschaulichen Montauk auf Long Island. Dort residieren finanzstarke New Yorker über den Sommer und verdrängen die Einheimischen. Auch die 32-jährige Maddie kämpft ums finanzielle Überleben und ihren Hass gegen die reichen Zweitwohnsitzler. So einer war einst auch ihr unbekannter Vater, der sich der Konsequenzen seiner Sommeraffäre mit Alimenten in Form eines Hauses entledigte. Verständlich also, dass die verschuldete Maddie alles tun will, um wenigstens das Haus zu retten. Da kommt ihr die seltsame Craigslist-Annonce gerade recht, die ihre besten Freunde finden: Ein reiches Ehepaar bietet ein Auto im Gegenzug dafür, ihren introvertierten Sohn zum Mann zu machen. Die Helikopter-Eltern des 19-jährigen Percy engagieren Maddie – die Prämisse der Komödie ist gesetzt.

Humor und echtes Drama

Die Kunst des Genres, wie sie Judd Apatow in The 40 Year Old Virgin zur Perfektion brachte, ist die Balance von derbem Humor und Grenzüberschreitung mit einem echten Drama dahinter. No Hard Feelings traut sich etwas. Eine nackte Jennifer Lawrence verprügelt am Strand Kleiderdiebe, und ihre Versuche, Percy rumzukriegen, bieten allerlei Gelegenheit für vertauschte Gender-Rollen. Andersherum wäre die Geschichte undenkbar!

Sony Pictures Canada

Jennifer Lawrence spielt die Rolle einer Frau, die eine sexy Verführerin spielt und sich damit durchaus schwertut. Mit ihrem perfekten komödiantischen Timing erinnert Lawrence auch hier wieder daran, dass sie für Silver Linings Playbook als eine der wenigen einen Oscar für eine Comedy-Hauptrolle bekommen hat. Seit einiger Zeit macht sie sich ein wenig rar, dreht nur noch einen Film pro Jahr – eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich à la Hollywood. Nach ihrer Teenagerkarriere im Hunger Games-Franchise hatte sie mit Auftritten in US-Late-Night-Shows ein authentisches "Girl Next Door"-Image entwickelt.

Transgressiver Humor

Sie zelebrierte eine Normalität, die so gar nicht ihrer Superheldinnenrolle in X-Men und ihrem Oscar-Superstar-Status entspricht. Auch deshalb funktioniert ihre Figur Maddie in dieser kleinen Komödie, die sie auch mitproduzierte, perfekt. Der verführte Percy, sympathisch gespielt von Andrew Barth Feldman, kauft ihr die skrupellose Verführerin nicht ab – und wir auch nicht.

So entwickelt sich aus der Sexkomödie eine überraschend sympathische Geschichte über Freundschaft, Klassenunterschiede und den Kampf mit der eigenen Komfortzone. Auch wenn No Hard Feelings keine meisterhafte Perle ist und immer wieder Schärfe und Treffsicherheit vermissen lässt: Der Film rettet das Genre der leichtfüßigen Sexkomödie ins Jahr 2023. Der transgressive Humor muss sich dabei freilich neue Ziele suchen, wenn er nicht auf Kosten der Falschen Kapital schlagen will. Das ist aber kein Problem. (Marian Wilhelm, 20.6.2023)